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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Irre, die sich über die Leichen ihrer enthaupteten Opfer beugten. In einem der größten Räume hatte es einen kunstvollen Friedhof mit umherwandelnden Zombies gegeben; in einem anderen hatte eine sehr überzeugende fliegende Untertasse von beträchtlichen Ausmaßen Außerirdische ausgespuckt, deren riesige Köpfe mit Haifischzähnen ausgestattet waren. Die roboterartigen Figuren hatten sich bewegt und wild gestikuliert, Grimassen geschnitten und die Fahrgäste auf immer und ewig mit Stimmen vom Tonband eingeschüchtert, die knurrten und heulten, fluchten und drohten.
    Nein, nicht auf immer und ewig. Jetzt waren sie alle verschwunden, verschrottet oder von den Gläubigern verkauft, einige auch gestohlen.
    Nichts währte ewig.
    Nur der Tod.
    Dreißig Meter hinter den Eingangstüren endete die erste Etappe der Geisterfahrt. Der Tunnelboden führte nun plötzlich steil in die Tiefe, mit einem Winkel von etwa fünfunddreißig Grad, hinab in die totale Finsternis. Hier hatten sich die Gondeln von den Haken im Boden gelöst und waren ruckartig fünfundvierzig Meter hinabgesaust; unten waren sie in einem Teich gelandet, das Wasser spritzte hoch auf und durchnäßte die vorderen Fahrgäste, zum großen Vergnügen all jener, die das Glück – oder den Verstand – hatten, hinten zu sitzen.
    Weil er kein gewöhnlicher Mensch war und über ganz besondere Kräfte verfügte, konnte er sogar in dieser völlig lichtlosen Umgebung ein Stück weit sehen, allerdings nicht bis zum Ende der Stellung. Seine katzenartige Nachtsicht war begrenzt: Im Umkreis von vier bis fünf Metern sah er alles genauso scharf wie bei Tageslicht; dann verschwammen die Konturen allmählich, und auf eine Entfernung von zwölf oder fünfzehn Metern verschluckte die Dunkelheit alles.
    Mit leicht zurückgebeugtem Oberkörper, um auf dem abschüssigen Weg nicht das Gleichgewicht zu verlieren, stieg er ins Zentrum der verlassenen Geisterbahn hinab. Er fürchtete sich nicht vor dem, was unten auf ihn lauern könnte. Er fürchtete sich vor nichts mehr.
    Schließlich war er gefährlicher, brutaler und mörderischer als alles, womit diese Welt ihn bedrohen konnte.
    Etwa auf halbem Wege zum früheren Teich hinab nahm er den Geruch des Todes wahr, der mit Strömen kühler, trockener Luft zu ihm aufstieg. Der Gestank erregte ihn. Kein Parfüm, nicht einmal das exquisiteste Parfüm auf der zarten Haut einer schönen Frau, hätte sein Blut jemals so in Wallung bringen können wie der unvergleichliche süße Duft von verwestem Fleisch.
5
    Unter den Halogenleuchten waren all die Flächen aus rostfreiem Stahl und weißem Email im Operationssaal etwas zu grell für die Augen, wie die geometrischen Formen einer arktischen Landschaft bei starker Sonne. Der Raum schien kühler geworden zu sein, so als würde die in den Toten einströmende Wärme die Kälte aus ihm verdrängen und an die Luft ringsum abgeben. Jonas Nyebern fröstelte.
    Helga warf wieder einen Blick auf das Digitalthermometer. »Körpertemperatur auf einundzwanzig Grad gestiegen.«
    »Zweiundsiebzig Minuten«, meldete Gina.
    »Jetzt sind wir auf Erfolgskurs«, sagte Ken trocken. »Geschichte der Medizin, Guinnessbuch der Rekorde, Fernsehauftritte, Bücher, Filme, T-Shirts und Mützen und Gartenzwerge mit unseren Konterfeis …«
    »Ein paar Hunde sind nach neunzig Minuten reanimiert worden«, rief Kari ihm ins Gedächtnis.
    »Ja«, stimmte Ken zu, »aber das waren eben Hunde . Außerdem waren sie so verrückt, daß sie Knochen jagten und Autos vergruben.«
    Gina und Kari lachten leise, und der Scherz linderte die schier unerträgliche Spannung. Nur auf Jonas hatte er keine Wirkung. Er konnte sich während einer Wiederbelebung nie auch nur eine Sekunde lang entspannen, obwohl er genau wußte, daß übermäßige Nervenanspannung die Leistungsfähigkeit eines Arztes beeinträchtigen konnte. Kens Talent, ein bißchen Nervosität wie Dampf abzulassen, war bewundernswert und kam dem Patienten zugute; Jonas war mitten in der Schlacht zu so etwas einfach nicht imstande. »Zweiundzwanzig Grad, dreiundzwanzig.«
    Es war eine Schlacht. Der Tod war der Gegner: schlau, mächtig und gnadenlos. Für Jonas war der Tod nicht nur ein pathologischer Zustand und nicht einfach das unausweichliche Schicksal aller Lebewesen, sondern ein Wesen, das durch die Welt schweifte, vielleicht nicht immer als jene mythische Gestalt mit dem unter einer Kapuze verborgenen Totenschädel, aber trotzdem eine sehr reale Präsenz. Der

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