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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Ohrmuschel zu streicheln, die eleganten Krümmungen der Gehörgänge, durch die die Schallwellen nach innen zum Trommelfell transportiert wurden, zu liebkosen …
    Er merkte endlich, daß die Kellnerin wieder mit ihm gesprochen hatte, daß sie ihm nun schon zum zweitenmal den Preis seines Drinks genannt hatte. Er hatte seine Brieftasche köstliche Sekunden lang gestreichelt, in Träume von Tod und Verstümmelung versunken.
    Ohne hinzusehen, holte er eine knisternde Banknote hervor und reichte sie ihr.
    »Das ist ja ein Hunderter«, sagte sie. »Haben Sie es nicht kleiner?«
    »Leider nein, Madam«, erwiderte er ungeduldig, weil er sie schnell loswerden wollte.
    »Da muß ich erst vorne an der Bar Wechselgeld holen, damit ich Ihnen herausgeben kann.«
    »Ja, ja, okay. Schon gut. Danke, Madam.«
    Sobald sie sich von seinem Tisch entfernte, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder den jungen Frauen zu – nur um feststellen zu müssen, daß sie im Aufbruch begriffen waren. Sie zogen im Gehen ihre Mäntel an und waren schon fast bei der Tür.
    Er wollte aufstehen und ihnen folgen, erstarrte aber, als er sich selbst plötzlich »Lindsey« sagen hörte.
    Er rief den Namen nicht laut. Niemand im Lokal hörte etwas. Er war der einzige, der reagierte, und seine Reaktion bestand in totaler Überraschung.
    Eine Hand auf dem Tisch, die andere auf der Stuhllehne, verharrte er halb aufgerichtet, wie gelähmt. Währenddessen verließen die vier jungen Frauen den Raum. Bambi war plötzlich weniger interessant geworden als der mysteriöse Name »Lindsey« – deshalb setzte er sich wieder hin.
    Er kannte niemanden, der Lindsey hieß.
    Er hatte nie jemanden gekannt, der Lindsey hieß.
    Es ergab überhaupt keinen Sinn, daß er diesen Namen laut vor sich hin gesagt hatte.
    Er blickte durchs Fenster auf den Hafen hinaus. Hunderte Millionen Dollar, mit denen irgendwelche Leute ihr Ego befriedigt hatten, hoben und senkten sich dicht an dicht auf den Wellen. Der dunkle Himmel lag wie ein zweites Meer darüber, genauso kalt und gnadenlos wie die richtige See. Der Regen glich Millionen silbergrauer Fäden, so als versuchte die Natur, Ozean und Himmel fest aneinanderzunähen und auf diese Weise den schmalen Luftstreifen zu vernichten, in dem Leben möglich war. Da er sowohl zu den Lebenden als auch zu den Toten gehört hatte und nun ein lebender Toter war, hatte er geglaubt, so weltklug und erfahren zu sein, wie man überhaupt nur sein konnte, wenn man von einer Frau geboren worden war. Er war überzeugt gewesen, daß die Welt ihm nichts Neues mehr zu bieten hatte, ihn nichts mehr lehren konnte. Und nun das! Zuerst der Anfall im Auto: Etwas ist dort draußen! Und jetzt Lindsey! Es waren zwei verschiedenartige Erfahrungen, weil er diesmal keine Stimme im Kopf gehört und den Namen mit seiner eigenen Stimme statt mit der eines Unbekannten ausgesprochen hatte. Aber beide Ereignisse waren so sonderbar, daß eine Verbindung zwischen ihnen bestehen mußte . Während er auf die vertäuten Boote, den Hafen und die dunkle Welt dahinter hinausstarrte, kam sie ihm geheimnisvoller vor als seit ewigen Zeiten.
    Er hob sein Glas und trank einen großen Schluck von seiner Cola mit Rum.
    Als er das Glas abstellte, sagte er wieder »Lindsey«.
    Das Glas klirrte gegen den Tisch, und er hätte es fast umgestoßen, weil der Name ihn abermals überrascht hatte. Er hatte ihn nicht vor sich hin gemurmelt, um sich über seine Bedeutung klarzuwerden. Vielmehr war er einfach aus ihm herausgeschossen wie beim erstenmal, nur atemloser und etwas lauter.
    Interessant.
    Dieses Lokal schien für ihn ein magischer Ort zu sein.
    Er beschloß, eine Zeitlang hier sitzen zu bleiben und abzuwarten, was als nächstes geschehen würde.
    Als die Kellnerin ihm das Wechselgeld brachte, sagte er: »Ich hätte gern noch einen Drink, Madam.« Er gab ihr einen Zwanziger. »Bitte behalten Sie den Rest.«
    Glücklich über das großzügige Trinkgeld, eilte sie wieder an die Bar.
    Vassago drehte sich dem Fenster zu, aber diesmal betrachtete er nicht den Hafen, sondern sein eigenes Spiegelbild im Glas. Die gedämpften Lichter im Raum reichten nicht aus, um auf der Scheibe ein scharfes Bild zu erzeugen. Seine Sonnenbrille kam in diesem matten Spiegel nicht richtig zur Geltung. Statt dessen schien sein Gesicht nur die leeren Augenhöhlen eines Totenschädels zu besitzen. Diese Vorstellung gefiel ihm.
    In heiserem Flüsterton, nicht laut genug, um von den anderen Gästen gehört zu werden, aber noch

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