Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
entfernt, kam aber rasch näher, und was das zu bedeuten hatte, begriff er trotz des Blutrausches, der seinen Geist benebelte. Er rannte zur Tür, wich dann aber wieder zurück, weil ihm klar wurde, daß sich vielleicht unten im Hof Leute zusammengeschart hatten oder zumindest aus den Fenstern schauten. Er hastete in Coopers Schlafzimmer, zog die Vorhänge auf und sah unter sich das Dach der Garagen, die sich am ganzen Gebäude entlangzogen. Dahinter lag ein durch eine Mauer begrenzter Hof. Vassago schob die untere Hälfte des zweigeteilten Fensters hoch, zwängte sich hindurch, ließ sich auf das Garagendach fallen, rollte bis zum Rand und fiel hinab, landete aber wie eine Katze auf den Füßen. Er verlor seine Sonnenbrille, schnappte sie sich und setzte sie wieder auf. Er sprintete nach links, während die Sirene immer lauter wurde, sehr laut, sehr nahe. Rasch kletterte er über die zweieinhalb Meter hohe Betonmauer, geschickt wie eine Spinne, die jede poröse Oberfläche hochlaufen kann, und sprang in einen anderen Hof hinab, der zu den Garagen auf der Rückseite eines anderen Wohnkomplexes gehörte. Instinktiv fand er sich im Labyrinth dieser Hinterhöfe zurecht, überwand weitere Mauern und gelangte schließlich auf die Straße, wo er geparkt hatte, nur einen halben Block von dem perlgrauen Honda entfernt. Er sprang in den Wagen, ließ den Motor an und zwang sich zu gemäßigtem Tempo. Er schwitzte und keuchte so stark, daß die Scheiben beschlugen. Die köstliche Geruchsmischung aus Bourbon, Blut und Schweiß berauschte ihn, erregte ihn, und er war so tief befriedigt über die Gewalt, die er entfesselt hatte, daß er auf dem Lenkrad trommelte und schallend und schrill lachte.
    Eine Zeitlang fuhr er einfach ziellos durch die Straßen. Als sein Gelächter verebbte und sein Puls wieder normal war, orientierte er sich und schlug die Richtung seines Verstecks ein.
    William Cooper konnte ihm nun keine Angaben mehr über die Frau namens Lindsey machen. Doch das störte Vassago nicht. Er wußte nicht, was mit ihm geschah, warum Cooper oder Lindsey oder der Mann im Spiegel auf übernatürliche Weise seiner Aufmerksamkeit empfohlen worden waren. Aber er wußte, daß er irgendwann alles begreifen würde, wenn er nur felsenfest auf Luzifer vertraute.
    Er begann sich zu fragen, ob die Hölle ihn vielleicht absichtlich freigegeben hatte, ob man ihn wieder ins Land der Lebenden geschickt hatte, damit er mit gewissen Leuten abrechnete, die der Fürst der Finsternis tot sehen wollte. Vielleicht war er doch nicht aus der Hölle gestohlen, sondern ins Leben zurückgesandt worden, um eine Mission der Vernichtung zu erfüllen. Falls dem so sein sollte, war er glücklich, das Instrument der finsteren und mächtigen Kräfte zu sein, nach deren Gesellschaft er sich zurücksehnte. Er wartete schon begierig auf seinen nächsten Auftrag.
     
    In der Morgendämmerung erwachte Hatch nach mehreren Stunden eines tiefen, fast totenähnlichen Schlafes und wußte nicht, wo er war. Einen Moment lang trieb er in einem Meer der Verwirrung dahin, dann wurde er ans Ufer der Erinnerung geschwemmt: das Schlafzimmer, Lindseys leise Atemzüge, das aschgraue erste Morgenlicht, das sich auf den Fensterscheiben wie feiner Silberstaub ausnahm.
    Dann fiel ihm jener unerklärliche und unmenschliche Wutanfall ein, der mit paralytischer Kraft durch ihn gebraust war, und er wurde starr vor Angst. Er versuchte sich zu erinnern, wohin dieser wirbelsturmartige Zorn geführt hatte, in welcher Gewalttat er gipfelte, aber sein Gehirn war leer. Er glaubte, einfach ohnmächtig geworden zu sein, so als hätte jene unnatürlich intensive Wut einen Kurzschluß seiner Gehirnströme bewirkt.
    War er ohnmächtig geworden – oder hatte er einen Blackout gehabt? Das war ein gewaltiger Unterschied. Wenn er das Bewußtsein verloren hatte, war er wohl die ganze Nacht im Bett gewesen, erschöpft, regungslos wie ein Stein auf dem Meeresgrund. Doch wenn er einen Blackout gehabt hatte, wenn sein Bewußtsein nur getrübt gewesen war, wenn er einen psychotischen Dämmerzustand erlebt hatte, konnte er Gott weiß was getan haben.
    Er fühlte plötzlich, daß Lindsey in großer Gefahr schwebte.
    Sein Herz klopfte zum Zerspringen, während er sich aufsetzte und sie betrachtete. Das Dämmerlicht war noch zu schwach, als daß er sie hätte deutlich sehen können. Sie hob sich nur umrißhaft vom Bettzeug ab. Er streckte die Hand nach dem Lichtschalter der Nachttischlampe aus. Zögerte. Er

Weitere Kostenlose Bücher