Das Versteckspiel (T-FLAC) (German Edition)
Kensington eine Antwort zustande. Tapfer verbarg er seine Nervosität und bemühte sich, ein Stück Fisch hinunterzuschlucken, ohne zu würgen. Kyle hätte ihm erklären können, ein Mann dürfe keine anderen Feinde haben als tote Feinde. Und Leute, die viel zu verlieren hatten, konnten sich keine albernen Fehler leisten. Während er das belanglose Gespräch zwischen Montero und Kensington an seinen Ohren vorbeiplätschern ließ, lehnte er sich bequem in die weiche Samtpolsterung seines Sessels zurück.
»Nun, Kyle …« Montero richtete seine seelenlosen schwarzen Augen auf ihn und unterbrach Kensington mit dem Satz: »Also bist du ein alter Freund meiner Delanie. «
»So würde ich’s nicht ausdrücken, aber es stimmt vor ein paar Jahren haben wir uns kennen gelernt. « Kyle grinste den Gastgeber an, mit einem viel sagenden Blick von Mann zu Mann, was Delanie bewog, den Stil ihres Weinglases etwas fester zu umfassen. Kichernd nickte Montero ihm zu, und Kensington konzentrierte sich auf seine Mahlzeit.
»Während ihr beide hier wohnt, könnt ihr eure Freundschaft erneuern, mit meinem Segen, Kyle. Das habe ich dir schon beim Lunch angeboten. «
Kyle beobachtete, wie Delanie unter ihrem Make-up blass wurde und das Kinn hob. Angesichts ihres Unbehagens empfand er eine grimmige Genugtuung. O ja, sie sollte nervös werden. Verdammt nervös.
»Wie großzügig«, bemerkte er trocken und musterte Delanie. »Aber überflüssig, mein Freund. Die Lady und ich haben kein neues Terrain zu erforschen. Nicht wahr, Baby?«
Über ihrem beschleunigten Puls vibrierte das goldene Halsband. Wenn Blicke töten könnten, hätten gerade seine letzten Sekündchen geschlagen. Er bedachte Delanie mit einem sanften Lächeln, und die Giftpfeile, die aus ihren Augen sprühten, verpufften erstaunlich schnell in blasiertem Desinteresse.
»Tut mir Leid«, erwiderte sie honigsüß, »daran erinnere ich mich nur vage. «
Dann legte sie eine schmale Hand auf Monteros Arm. Die langen roten Fingernägel hoben sich grell vom dunklen Ärmel ab. Wie Kyle sich deutlich entsann, waren die Nägel nachmittags am Pool kurz und unlackiert gewesen. Widerwillig bewunderte er ihre Dreistigkeit. Um das Image zu vollenden, braucht sie nur noch einen Bubble-Gum, dachte er. Seltsam, dass sie nicht an dieses effektvolle Requisit gedacht hatte …
»Natürlich würde ich alles für dich tun, liebster Ramón. Es ist nur …« Während sie zauberhafte Verwirrung heuchelte, warf sie Kyle einen triumphierenden Blick zu. »Wie soll ich’s sagen, ohne seine Gefühle zu verletzen? Woran ich mich erinnere, war so langweilig. «
Kensington verschluckte sich, rang nach Luft, und Kyle schlug ihm auf den Rücken. Belustigt dacht er an eine »langweilige« Nacht, an Delanies Beine, die seinen Körper auf dem Gipfel der Lust wie ein Schraubstock umklammert hatten. Tagelang war sein Rücken mit blauen Flecken verziert gewesen. In ihren Augen las er, dass auch sie daran dachte. Aber sie hielt seinem Blick ausdruckslos stand.
In Monteros Gegenwart schien sich ihre Persönlichkeit zu verändern. Das missfiel Kyle, wenn er auch zugeben musste, dass sie ihre Rolle ausgezeichnet spielte. Kleines Mädchen, dachte er resignierend und bedauernd, du ahnst überhaupt nicht, was du riskierst…
Nach einer Weile wich sie seinem Blick aus.
So ist’s besser, Schätzchen, schau weg. Wenn Montero dir keine Todesangst einjagt, mir wird’s gelingen …
Ganz egal, wer sie erschrecken mochte sie sollte sich so grässlich fürchten, dass sie die Flucht ergreifen würde.
Verstohlen beobachtete er die beiden Männer, während er offiziell sein Dinner genoss. Er besaß viele Fähigkeiten 一 unter anderem die Gabe, seine Mitmenschen unauffällig zu taxieren. Früher war er viel junger gewesen als seine Schulkameraden, zu jung, um an ihren Abenteuern teilzunehmen. Und so hatte er gelernt, im Hintergrund zu bleiben und zuzuschauen. Während sie Football spielten und in der High School die Cheerleader umschwärmten, studierte er Medizin. Auf der Universität überflügelte er seine älteren Kommilitonen und spezialisierte sich auf Epidemiologie. Er wollte die Ursachen gefährlicher Epidemien erforschen und Heilmittel entwickeln. Zumindest hatte er das zu Beginn seiner brillanten Karriere geplant. Das Letzte, wovon er geträumt hatte, war die biologische Waffe, die er für Montero aus dem Pockenvirus gewann.
Vor vier Jahren hatte sich Montero an ihn gewandt. Kyle war seine erste Wahl gewesen.
Weitere Kostenlose Bücher