Das versteckte Experiment (German Edition)
in Deutschland.“
„Ich habe schon verstanden“, tippte Jan ein. „Der Schmetterlingseffekt ist mir bekannt. Ich habe aber noch nicht ganz aufgegeben. Nehmen wir an, ich würde nicht nur die Bewegungsgleichungen aller Moleküle kennen, sondern auch aller Bestandteile der Moleküle, der Atome und sogar der Elementarteilchen.“
„Es spricht für dich, dass du so hartnäckig bist. Die physikalischen Vorgänge im Bereich der Elementarteilchen sind nicht deterministisch. Das heißt, man kann z. B. die Bewegung eines Elektrons nicht genau vorausberechnen. Es ist zwar kein Problem, die Bahn eines Planeten oder eines Mondes zu berechnen, den genauen Ort eines Elektrons für die nächste Sekunde vorauszuberechnen, ist dagegen nicht möglich. Es kann lediglich eine Wahrscheinlichkeit ermittelt werden, mit der sich das Elektron zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort aufhalten wird.“
„Weil unsere Messgeräte nicht genau genug sind, um die Ausgangsdaten, den Ort und die derzeitige Geschwindigkeit zu bestimmen?“
„Selbst mit den genauesten Messgeräten wäre es nicht möglich.“
„Weil die Messungen selbst das Ergebnis verfälschen würden, nicht wahr? Jede Messung heißt ja, dass man irgendwie in das Quantensystem eingreift.“
„Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Jede Messung, selbst die Beobachtung mit dem Auge hat natürlich Einfluss auf das System und stört dieses in unvorhersehbarer Weise. Die Situation ist jedoch noch aussichtsloser. Die begrenzte Genauigkeit, mit der der Ort und die Geschwindigkeit eines Teilchens bestimmt werden können, sind sozusagen eine Eigenschaft des Quantensystems. Man kann sich zwar vorstellen, dass diese Unschärfe durch die Rückwirkung des Messvorgangs verursacht wird, aber in Wirklichkeit hat das Elektron zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen bestimmten Ort, sondern hält sich nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an diesem Ort auf. Auch die Elektronenbahnen, die du im Bohrschen Atommodell beschrieben hast, sind keine echten Bahnen, sondern veranschaulichen nur das Prinzip der so genannten Wahrscheinlichkeitswelle. Sie sagt aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Elektron an einem Ort um den Atomkern angetroffen werden kann.“
„Du redest von der Heisenbergschen Unschärferelation, nicht wahr?“
„Ja, von dem Physiker Werner Heisenberg formuliert.“
„Das Ganze ist aber sehr merkwürdig. Warum gilt das nicht auch für dein Beispiel der Planetenbewegungen? Es wäre ziemlich fatal, wenn man die Planetenbewegungen oder auch Ebbe und Flut nicht exakt voraussagen könnte.“
„Im Grunde gilt das Prinzip auch für makroskopische Körper. Die Unschärfe steht jedoch im umgekehrten Verhältnis zur Masse des Körpers und wird damit für größere Objekte vernachlässigbar klein.
Man kann also nicht einmal die genauen Ausgangsbedingungen für ein einzelnes Elementarteilchen genau bestimmen, und zwar prinzipiell nicht. Auch eine Idealisierung in einem Gedankenexperiment kommt an dieser Tatsache nicht vorbei.“
„Vielleicht ist es auch besser so, dass nicht alles vorher berechnet werden kann. Wenn ich mir vorstelle, ich wüsste jetzt schon, was morgen alles passierte, wüsste, ob ich bald krank werde, oder gar, wann ich sterben muss, bekomme ich eine Gänsehaut. Aber was viel schlimmer wäre, wo bliebe der freie Wille. Dass man Ereignisse nicht vorausberechnen kann, liegt also an der Komplexität der Vorgänge oder in letzter Konsequenz an der tatsächlichen Unbestimmtheit der elementaren Vorgänge?“
„Ja, wobei der erstere Grund auf makroskopischer Ebene, also z. B. beim Wetter, sicher der ausschlaggebende ist.“
„Vielleicht ist es auch besser, dass man nicht alles vorausberechnen kann. Wenn alles deterministisch abliefe, so wäre für den freien Willen kein Platz. Nicht ich würde bestimmen, ob ich meinen Arm hebe oder ob ich morgen ins Kino gehe, sondern die momentane Anordnung und die Wechselwirkung der Elementarteilchen in meinem Körper würden mein Handeln bestimmen.“
„Aber, wer bist du? Letztlich ist dein Denken nichts anderes als Wechselwirkungen der Elektronen und Ionen in bestimmten Gehirnregionen. Aber die Wechselwirkungen sind nicht streng deterministisch und damit nicht vorhersehbar und nicht einmal festgelegt. Das Denken ist also zwar an die Materie in deinem Gehirn gebunden und besteht aus der Wechselwirkung der Elektronen (der Physiker J. E. Charon: ‚Mein Denken ist das Denken meiner Elektronen‘). Aber dabei bleibt
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