Das versteckte Experiment (German Edition)
schaltete das Fernsehgerät aus.
„Hallo, Jan“. Die Mutter öffnete die Augen.
„Gut geschlafen?“, fragte Jan.
„Nachdenken nennt man das!“, flunkerte die Mutter.
Jan wandte sich seinem Vater zu.
„Sag mal, Papa, woran arbeitest du eigentlich zurzeit genau?“
„Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit beschäftigt sich, wie du weißt, mit der Ausbreitung von Aerosolen, z. B. von Partikeln aus den Wüsten und Salzteilchen aus den Meeren, und deren Einfluss auf das Klimageschehen. Zu den Forschungen gehört die Abschätzung der Einflüsse auf das Weltklima, den Treibhauseffekt und das Wetter allgemein. Als ganz direkter Einfluss ist z. B. die Funktion der Teilchen als Kondensationskeime bei der Wolkenbildung zu beobachten. Aktuell forscht unser Team auch an der Ausbreitung biologischer Teilchen wie Pollen, Sporen, Viren und Bakterien, die, wie man inzwischen weiß, einen beträchtlichen Anteil am Gesamtaerosol ausmachen. Du hast ja einen großen Teil der Software mitentwickelt, die den Einfluss der Aerosole auf das Klimageschehen berechnet. Es wäre sicher nicht verkehrt, wenn du dich etwas mit dem Thema beschäftigen würdest. Natürlich musst du nicht alle Details verstehen. Du kannst von mir Literatur bekommen, die dir einen gewissen Überblick verschafft.“
„O. k., ich habe in den nächsten Tagen ein wenig Zeit. Unterliegen deine Arbeiten eigentlich der Geheimhaltung?“
„Nein, alles, was wir erforschen, wird früher oder später sowieso in Fachzeitschriften veröffentlicht.“
„Gibt es militärisch nutzbare Anwendungen deiner Forschungsergebnisse?“
„Wohl kaum, du kennst doch auch meine Einstellung dazu. Aber man weiß natürlich nie genau, welche Auswirkungen Grundlagenforschungen in der Zukunft haben können. Rutherford hat ganz sicher nicht geahnt, was aus seiner Entdeckung der Kernspaltung einmal werden würde. Denkbar wäre natürlich, dass bei der Entwicklung biologischer Waffen prinzipiell die Kenntnisse über die Ausbreitung biologischer Teilchen genutzt werden könnten. Die Entwicklung ist zwar nach der Biowaffenkonvention von 1972 weltweit verboten, ob sich aber alle Länder daran halten, muss wohl bezweifelt werden. Die Problemstellungen bei der Entwicklung solcher Waffen sind jedoch etwas andersartig. Dort geht es mehr um eine lokal begrenzte Ausbreitung der Aerosole. Aber sag mir mal, warum stellst du solche Fragen?“
„Ich hatte gestern Besuch vom BND.“
„Von wem?“, fragte die Mutter aufgeregt.
„Vom Bundesnachrichtendienst.“
„Was hast du ausgefressen?“, lachte der Vater.
„Ja, nichts natürlich.“
„Die müssen dir doch erzählt haben, was sie von dir wollten.“
„Ich glaube, die haben meine Aktivitäten im Internet beobachtet.“
„Welche Aktivitäten?“
„E-Mails, Chats und so weiter, und die haben mich nach Christine befragt, einer Internetbekanntschaft.“
„Wer ist Christine?“, bohrte die Mutter nach, die inzwischen hellwach war.
„Halt eine Internetbekanntschaft, wer tatsächlich hinter dem Namen steckt, weiß ich nicht. Christine ist ziemlich schlau und hat ein unglaubliches Wissen in Naturwissenschaften, Physik, Astronomie und Kosmologie. Sie scheint allerdings etwas abgedreht zu sein, sitzt wohl ständig vor dem Computer und schläft niemals.“
„Und du glaubst alles, was sie dir erzählt?“, fragte der Vater.
„Alles, was sie mir über die Naturwissenschaften erzählt hat, scheint zu stimmen. Was ihre Person angeht, macht sie mir wohl etwas vor. Das ist aber eigentlich nicht so wichtig.“
„Und fragt sie dich aus, über dich oder meine Arbeit?“
„Über deine Arbeit haben wir nie ein Wort verloren. Sie interessiert sich wohl auch für Psychologie und fragt nach persönlichen Dingen, nach der Schule, nach Sintja und so. Da der Chat ja anonym ist, ist das auch eigentlich kein Problem.“
„Jan, wer ist Sintja?“, unterbrach die Mutter.
„Eine Freundin“, antwortete Jan.
„Eine?“
„Die Schwester von Martin“, wich Jan aus.
„Also“, begann der Vater, „der BND interessiert sich für dich, weil du Kontakt mit Christine hast. Christine ist aber vielleicht gar nicht Christine. Ihr chattet aber nur über Dinge, die den BND gar nicht interessieren sollten. Irgendwie gibt das alles keinen Sinn.“
„Deshalb dachte ich, dass vielleicht deine Arbeit damit zusammenhängen könnte.“
„Dass Christine etwas über meine Forschungen erfahren will und der BND sich da einmischt? Das klingt aber ziemlich absurd.
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