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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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mit den Erben beobachtet, ich habe dir zugehört. Das klang alles so routiniert. Du kamst mir vor wie ein Fisch, der in vertrauten Gewässern schwimmt. Warst du früher Polizistin? Oder Rechtsanwältin? Hast du Sorge, ich würde die Wahrheit nicht ertragen?« Ich hielt ihren Blick wie in einem Schraubstock.
    »Diese Wahrheit über mich hat auch etwas mit Ben zu tun.«
    »Dann fang damit an.« Mein Herz klopfte so stark, dass ich es bis in den Hals spürte. Rosa schien meine Aufregung zu spüren, sie legte sich auf meine Füße.
    Henrike stand auf, postierte sich mit dem Rücken zum Fenster und stützte die Hände auf der Fensterbank ab. »Vor Jahren hat sich eine Gruppe krimineller Hacker darauf spezialisiert, in die Zahlungsverkehrssysteme von Privatbanken einzudringen. Sie haben sich speziell die Banken ausgewählt, die ihre Programme an kleinere IT-Dienstleister ausgegliedert haben. Die Rechenzentren dieser Firmen sind oft nicht so gut gesichert wie die der großen Konzerne. Es ist also keine große Herausforderung für einen Hacker, dort einzudringen. Die Vorgehensweise dieser Bande war und ist noch immer die gleiche: Einer von ihnen wird Kunde der Bank und eröffnet dort ein Konto. Dann macht er via Onlinebanking eine Überweisung und hängt als Anhang einen Trojaner an, den er mit den Überweisungsdaten bis ins Rechenzentrum schickt. Wenn der Trojaner dort auf den Zentralrechner gelangt, lassen sich Überweisungen umlenken. Um nicht sofort entdeckt zu werden, müssen sie sich zeitlich sehr beschränken. Aber dreißig Sekunden reichen schon, um ordentlich abzukassieren. Und da diese Bande ihr Handwerk beherrscht, lässt sich später nicht herausfinden, über welchen legalen Überweisungsauftrag der illegale mitgeschleppt wurde. Es könnte also jeder Kunde der Bank gewesen sein. Die …«
    »Willst du damit sagen, dass Ben …?«
    »Warte!«
    Mein Hals wurde staubtrocken. Ich trank von dem Rotwein und hörte mich laut schlucken.
    »Das Problem für die Hacker besteht darin, dass das Zielkonto, auf das die Überweisungen umgeleitet werden, identifizierbar ist«, fuhr sie fort. »Also eröffnen sie ein Konto bei einer Bank auf den Bahamas, leiten das Geld dorthin, schicken es jedoch von dort sofort wieder weiter. Die Banken auf den Bahamas sind nicht reguliert und unterliegen so gut wie keiner Aufsicht. Singapur entzieht sich ebenfalls der westlichen Bankenaufsicht. Also leiten sie das Geld von den Bahamas nach Singapur, holen es dort ab und verschwinden spurlos. Seit acht Jahren ist das ein gut funktionierendes Geschäftsmodell dieser Gruppe.«
    »Was hat Ben damit zu tun?«
    »Dein Bruder wurde erwischt, als er in die Datenbank eines Pharmakonzerns eingedrungen ist. Er hat es von einem PC in der Uni gemacht und …«
    »Und ist …« Beinahe hätte ich den Satz fortgeführt. Ich hatte mich gerade noch rechtzeitig an das Versprechen erinnert, das ich Martin gegeben hatte.
    »Was wolltest du sagen?«, fragte Henrike irritiert.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nichts, entschuldige. Rede weiter. Bitte.«
    »Er ist von einer Kamera dabei gefilmt worden. Die für die Hackerbande zuständigen Beamten hatten lange darauf gewartet, dass ihnen jemand mit den Fähigkeiten deines Bruders ins Netz gehen würde. Sie haben ihm Straffreiheit zugesichert, wenn er sich im Gegenzug unauffällig für sie in der Szene umhören würde. Er sollte nur Augen und Ohren offen halten, nichts weiter.« Henrike runzelte die Stirn. »Aber seinen Hang zum Risiko haben sie wohl unterschätzt. Er muss sich beinahe mit Begeisterung in diese neue Aufgabe gestürzt und dabei das Risiko aus den Augen verloren haben. Das wird zumindest vermutet. Ein paar Wochen bevor er verschwand, hat er seinem Kontaktmann bei der Kripo gegenüber eine Andeutung gemacht … Sie dürften sich bald freuen. Er komme wohl an Material, das ihnen die Bande auf dem Silbertablett liefere. Danach gab es keine weitere Kontaktaufnahme.«
    Ich fühlte mich, als hätte mir jemand auf den Kopf geschlagen. Für Sekunden konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. Bis die Fragen nur so aus mir herausschossen. »Woher weißt du das alles? Hängst du da mit drin? Bist du eine von denen, die für die Hacker zuständig sind? Hast du ihn da hineingezogen und seinen Hang zum Risiko unterschätzt, wie du es so lapidar ausgedrückt hast? Bist du schuld, dass er verschwunden ist? Ist es das, was du sagen willst?« Meine Stimme überschlug sich, und Gänsehaut überzog meine Arme. »Ist Ben

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