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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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darüber reden, ja? Heute habe ich hier noch einiges zu tun. Deshalb muss ich Sie bitten …«
    »Zu gehen?«, fiel er mir ins Wort. »Das entscheide ich lieber selbst!« Jegliche Freundlichkeit war nun aus seiner Stimme gewichen.
    »Da irren Sie sich, Herr Velte, in diesem Haus entscheide ich. Sie haben hier nichts zu suchen.«
    »Sie glauben allen Ernstes, Sie könnten mir auf der Nase herumtanzen.« Für Sekunden flackerte Wut in seinem Blick auf. »Dabei sind Sie nichts weiter als eine kleine, unbedeutende Nachlassverwaltern, die sich aufbläht, als könne sie es mit den Großen aufnehmen.« Er sprach leise und ließ mich keine Sekunde aus den Augen. »Sie sind impertinent und selbstgefällig. Sie stecken Ihre Nase in Dinge, die Sie nichts angehen. Und das alles unter dem Mäntelchen einer Testamentsvollstreckung. Ich …«
    »Ich kann verstehen, Herr Velte, dass Sie sich über dieses Testament aufregen«, unterbrach ich ihn, damit er sich nicht weiter in Rage redete. »Es ist in seiner Art sehr ungewöhnlich. Mir ist bisher kein vergleichbares untergekommen.« Während ich redete, spulte ich im Geiste mein Repertoire ab, auf das ich im Umgang mit aufgebrachten Erben regelmäßig zurückgriff. »Ich habe es nicht formuliert. Und ich hätte Theresa Lenhardt in dieser Form davon abgeraten. Ihre Freundin hat es wohl als letzte Möglichkeit gesehen, um …«
    »Theresa war eine tragische Figur«, schnitt er mir das Wort ab. »Vernünftigen Argumenten gegenüber war sie stocktaub. Ich habe ihr oft genug geraten, sich mit den Gegebenheiten abzufinden, aber sie wollte nicht auf mich hören.« Er schnaubte verächtlich.
    »Ich glaube, das ist leichter gesagt als getan. Ihre Frau wäre sicher auch …«
    »Lassen Sie meine Frau aus dem Spiel! Haben Sie mich verstanden?« Aufgebracht hielt er mir den Zeigefinger dicht vors Gesicht.
    »Klar und deutlich. Und jetzt gehen Sie bitte!«
    »Meine Frau und mein Sohn gehen Sie nichts an.«
    »Ihre Frau geht mich sehr wohl etwas an, Herr Velte, sie ist als eine der möglichen Erben im Testament aufgeführt. Sie …«
    »Das machen Sie gerne, nicht wahr? Dieses Korrigieren! Dann fühlen Sie sich überlegen.« Er verzog den Mund, so dass sein Gesicht etwas Fratzenhaftes bekam.
    »Eigentlich möchte ich nur, dass Sie gehen und mich hier in Ruhe weiterarbeiten lassen. Dann habe ich nämlich auch noch die Chance auf ein wenig Freizeit am Sonntag.«
    In übertriebener Ergebenheit breitete er die Arme aus und verharrte für einige Sekunden so. Er schien über seinen nächsten Schritt nachzudenken. »Wie Sie meinen! Ich bin schon weg«, sagte er schließlich, machte auf dem Absatz kehrt und ging Richtung Treppe.
    »Warten Sie, ich lasse Sie hinaus.«
    »Nicht nötig, ich nehme den Weg, den ich gekommen bin.« Das charmante Lächeln war zurück. »Und nichts für ungut, Frau Mahlo. Ich hoffe, Sie legen mir meinen Besuch nicht negativ aus.«
    Besuch? Überfall kam der Sache näher, aber ich hielt mich zurück. Hauptsache, er ging endlich. »Ich schlage vor, wir vergessen beide, dass er stattgefunden hat.«
    »Und Sie verraten meiner Frau nichts? Ihr wäre es sicher unangenehm, wenn Sie wüsste, dass …« Er schien nach dem passenden Wort zu suchen und schüttelte schließlich den Kopf. »Ach was, egal! Wie geht es mit der Testamentssache voran?«, fragte er in einem unbeschwerten Ton, als hätte unsere Unterhaltung gerade erst begonnen.
    Ich schüttelte genervt den Kopf. »Das haben Sie mich gestern bereits gefragt. Ich kann Ihnen heute nichts anderes darauf antworten. Schließlich lässt sich weder beweisen, dass Fritz Lenhardt unschuldig war, noch kann jeder der fünf möglichen Erben von einem Verdacht völlig freigesprochen werden. Es ist eine vertrackte Angelegenheit.«
    »Sie halten es tatsächlich immer noch für möglich, dass einer von uns ein Mörder ist?«, fragte Velte mit einem amüsierten Lachen.
    »Haben Sie Fritz Lenhardt für einen Mörder gehalten?«
    »Fritz hat für seine Verantwortungslosigkeit gebüßt.« Er sagte es mit einer Entschiedenheit und Härte, die wenig Freundschaftliches erahnen ließ.
    Noch nie hatte ich erlebt, dass jemand zwischen Gemütszuständen so blitzschnell hin- und herwechselte wie Tilman Velte. »Meinen Sie damit die Sache mit dem Hausverkauf?«
    Er zögerte einen Moment mit seiner Antwort. »Ja«, antwortete er schließlich. »Was sonst!«
    Durch sein Zögern begriff ich, dass wir über etwas anderes gesprochen hatten. Ich über die

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