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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Auflassungsvormerkung und er über …
    »Was geht Ihnen da gerade durch den Kopf, Frau Mahlo?«
    Ich rang mir ein Lächeln ab. »Nichts.«
    Er versuchte sich an der Parodie eines Lehrers, der seine Schülerin mit dem Zeigefinger schalt. »Das ist glatt gelogen, würde ich wetten. Aber da Sonntag ist, lasse ich Ihnen das noch mal durchgehen. Und ich lasse Sie endlich Ihre Arbeit machen. Sorry, dass ich Sie so lange in Anspruch genommen habe. Wird nicht wieder vorkommen. Versprochen!« Er lachte unbekümmert.
    »Kein Problem.« Ich konnte es kaum noch erwarten, endlich in Ruhe über das nachzudenken, was er nicht gesagt hatte.
    »Ich sehe schon, Sie sind mit Ihren Gedanken sowieso längst wieder bei der Arbeit. Melden Sie sich, wenn es etwas Neues gibt.« Ohne meine Antwort abzuwarten, machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand geräuschvoll über die Treppe aus meinem Blickfeld.

22
Zwei Minuten Vorsprung gab ich ihm, dann würde ich hinuntergehen und die Fenster schließen. Ein derartiger Überfall pro Tag reichte mir. Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und vergegenwärtigte mir den letzten Teil unseres Gesprächs. Es war dieses Zögern gewesen, das mich irritiert hatte. Wenn Tilman Velte nicht vom Betrug beim Hausverkauf gesprochen hatte, wovon dann? Für welche Verantwortungslosigkeit hatte Fritz Lenhardt in seinen Augen büßen müssen? Dafür, dass ihm bei der Auswahl der Samenspender ein Fehler unterlaufen war? Mein Bruder hatte den Arzt angelogen, was seine sexuelle Orientierung betraf. Die Schuld dafür traf Ben, nicht Fritz Lenhardt.
    Mit einem Frösteln lief ich die Treppe hinunter und sah zur Sicherheit auch noch in Küche und Bad nach, ob Tilman Velte tatsächlich verschwunden war. Er hatte mir Angst gemacht. Ich zog mein Handy aus der Overalltasche, setzte mich auf den einzig freien Stuhl im Wohnzimmer und suchte Henrikes Nummer heraus. Ich wollte gerade auf den grünen Hörer drücken, als ich ein Geräusch hörte. Erschrocken fuhr ich herum und nahm wie in Zeitlupe wahr, was in Sekundenbruchteilen geschah.
    Ein Schlag auf meine Hand, der mir das Handy aus den Fingern schleuderte. Mein Schrei und die Hände, die mich brutal packten. Panisch versuchte ich mich aus dem Klammergriff zu befreien und dem Angreifer hinter mir gegen die Beine zu treten. Meine Tritte gingen ins Leere. Grob drückte er mich auf den Stuhl und fesselte meine Hände hinter der Lehne. Ich wollte schreien, wurde jedoch durch eine Hand, die mir Mund und Nase zuhielt, daran gehindert.
    »Einen Ton, und ich breche Ihnen das Genick«, sagte Tilman Velte in geschäftsmäßigem Ton.
    Luft! Ich brauchte Luft! Zum Zeichen der Zustimmung versuchte ich zu nicken. In dem Augenblick, in dem er die Hand von meinem Gesicht nahm, füllte ich meine Lungen mit Sauerstoff. Das Geräusch, das ich dabei machte, dröhnte in meinen Ohren. Gelähmt vor Angst, sah ich Tilman Velte dabei zu, wie er meine Füße mit großen Kabelbindern an die Stuhlbeine fesselte. Mein Herz raste. Als mein Handy klingelte, gab ich einen unterdrückten Laut von mir. Es schien meilenweit entfernt zu sein, dabei waren es höchstens zwei Meter, zwei unüberwindbare Meter.
    Ohne mich eines Blickes zu würdigen, kam Tilman Velte aus der Hocke hoch und zerstörte das Telefon mit einem gezielten Tritt.
    »Bitte …«, krächzte ich, »lassen Sie mich …«
    Ein gewaltiger Schmerz verschlug mir die Sprache. Ich japste. Tilman Velte hatte mir mit voller Wucht mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. »Sie reden erst, wenn ich es erlaube. Haben Sie das verstanden?«
    Als ich ihn nur entsetzt anstarrte, wiederholte er seine Frage. Ich antwortete mit einem Nicken.
    Voller Verachtung sah er auf mich herab. Es war nichts mehr übrig von dem charmanten Mann, als der er sich inmitten seiner Freunde präsentiert hatte. Er schloss die Gardinen vor den beiden Fenstern. Dabei verfingen sich Spinnweben in seinen Haaren. Er wischte sie mit einer schnellen Bewegung fort.
    Die Angststarre wich der Erkenntnis, dass ich es trotz seiner Drohung wagen musste. Mit ihm zu reden war vielleicht meine einzige Chance, Zeit zu gewinnen. »Darf ich Sie etwas fragen?« Meine Stimme zitterte. Als er nicht reagierte, fuhr ich fort. »Wodurch habe ich Sie so sehr verärgert?« Verglichen mit dem, was hier geschah, stellte meine Wortwahl eine krasse Untertreibung dar. »Ist es, weil ich Ihre Frau besucht habe?«
    »Wer meine Familie bedroht, bekommt es mit mir zu tun. Und zwar …«
    »Ich habe Ihre Familie

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