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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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für Sie nachgesehen, wer als Samenspender für Ihren Sohn Sebastian ausgewählt worden war.«
    »Gerade noch rechtzeitig, bevor Beate die Daten gelöscht hat.« Er schien sich in seinen Gedanken zu verlieren.
    Halte ihn am Reden, hämmerte ich mir ein. Ich musste so viel Zeit gewinnen, dass meine Mutter mich vermisste. Ich hatte geschrieben, ich sei ein bis zwei Stunden fort. Die zwei Stunden mussten längst um sein. Sie nahm solche Zeitangaben sehr ernst, weshalb ich in den meisten Fällen keine machte. Nur heute hatte ich die Zeit eingegrenzt, damit sie wegen Rosa Bescheid wusste. Was würde meine Mutter tun, wenn ich nicht kam? Wen würde sie anrufen? Würde sie in den Unterlagen auf meinem Büroschreibtisch nachsehen, in welchem Haus in Untermenzing ich war?
    »Wie haben Sie eigentlich erfahren, dass mein Bruder homosexuell war?«, fragte ich.
    Er starrte durch mich hindurch und ließ sich Zeit mit einer Antwort. Schließlich zog er die Brauen zusammen. »Christoph hat mir Namen und Adresse gegeben. Ich hatte ein Recht darauf. Ein paar Tage lang bin ich ihm gefolgt, habe mit ansehen müssen, wie sinnlos er seine Zeit verplemperte. So ein Verlierer. Ich habe an Nebentischen in Cafés und Kneipen gesessen und habe seine Gespräche belauscht. Und dann …« Mit einem angewiderten Ausdruck im Gesicht ließ er das Satzende unausgesprochen.
    Ich wartete einen Moment. »Und dann?«, fragte ich vorsichtig nach und leckte Blut von meiner aufgeplatzten Lippe.
    »Dann?« Er presste seine Kiefer aufeinander. »Dann kam ein Typ an seinen Tisch und küsste ihn mitten auf den Mund, während Ihr feiner Bruder ihm die Hand auf den Hintern legte.«
    Für einen kostbaren Moment stellte ich mir vor, wie es wäre, die Zeit zurückdrehen zu können, Ben zu warnen und aus dem Blickfeld seines Mörders zu zerren. »Das war sein Todesurteil, nehme ich an.« Diesen Satz auszusprechen fiel mir unendlich schwer. Aber auch über mich hatte er bereits das Todesurteil gefällt.
    »Es sind schon Menschen für geringere Vergehen umgebracht worden«, sagte er mit einem gleichgültigen Schulterzucken.
    »Homosexualität ist genauso wenig ein Vergehen wie Heterosexualität.« Der Schlag, den ich mir dafür einfing, war heftiger als die vorherigen. Im ersten Moment kniff ich die Augen zusammen, aber als der Schwindel übermächtig wurde, riss ich sie wieder auf. Ich hielt mich an einem weißen Farbfleck auf dem Boden fest. Als er mein Kinn packte und meinen Kopf hob, musste ich ihn ansehen. Er blickte mir direkt in die Augen.
    »Es sind schon Menschen für geringere Vergehen umgebracht worden«, wiederholte er den Satz Wort für Wort.
    In meinem Kopf dröhnte es, bis sich ein Puzzleteil zum anderen fügte. »Konstantin Lischka hat Sie mit meinem Bruder gesehen.«
    Er gab einen zischenden Laut von sich. »Das war der einzige Fehler, der mir unterlaufen ist. Der einzige.« Er schien hart mit sich ins Gericht zu gehen, was in Anbetracht seiner Taten absurd schien. »Ich mache sonst keine Fehler. Nur dieses eine Mal. Aber ich habe meinen Fehler korrigiert.«
    Indem er seinen Freund ebenfalls umgebracht hatte. »Wo hat Konstantin Lischka Sie mit meinem Bruder gesehen?«
    »In einem Café im Glockenbachviertel. Ich habe mich zu Ihrem Bruder an den Tisch gesetzt und ihn in ein Gespräch verwickelt. Konstantin saß zufällig in einem Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich hatte ihn nicht bemerkt. Er hatte schon immer ein gutes Gedächtnis für Gesichter und hat sich an Ihren Bruder erinnert, als sein Foto veröffentlicht wurde. Das war dumm von ihm.«
    »Wo haben Sie Ben umgebracht?« Ich betete, dass mir die Fragen nicht ausgingen.
    »Er war mit seinem Fahrrad im Wald unterwegs. Solche Touren hat er wohl öfter gemacht, um sich fit zu halten für seine vielfältigen Umtriebe. Ich bin ihm gefolgt.« Er klang, als zweifelte er keine Sekunde an der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens. Als sei alles, was er getan hatte, die logische Folgerung der Verfehlungen anderer. Da war nicht einmal der Funke eines Schuldbewusstseins. Nur eine Sache schien er zu bedauern: dass er ein einziges Mal einen Fehler gemacht hatte und mit meinem Bruder gesehen worden war. Die beiden Morde, die er begangen hatte, schienen nicht zu zählen.
    Eine Frage brannte mir auf der Seele. Es war die schwerste. Und ich wusste nicht, ob ich die Antwort ertragen würde. »Wie haben Sie meinen Bruder getötet?« Meine Stimme war brüchig.
    Er sah mich an, als belästige ich ihn mit

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