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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Waffe von innen an die Eingangstür gehängt hatte, öffnete ich die Fenster, die nach hinten hinausgingen. Obwohl der leichte Durchzug den Staub aufwirbelte, tat die frische Luft gut. Im Wohnzimmer begann ich mit meiner Suche. Sollte der Mann eine Waffenerlaubnis besessen haben, musste sie irgendwo sein. In der Dokumentenmappe, die ich mit ins Büro genommen hatte, war nichts dergleichen gewesen. Akribisch begann ich damit, Schubladen und Kommoden noch einmal zu durchsuchen. Die Vitrine voller Briefe ließ ich links liegen. Sollte sich herausstellen, dass es keine Erben gab, würde ich sie mir genauer ansehen. Während ich einen Stapel alter Zeitschriften durchsuchte, fiel mir das Medaillon wieder ein, das Funda und ich bei unserem letzten Besuch auf dem Dachboden entdeckt hatten. Vielleicht hatte er seinen Erlaubnisschein auch dort oben versteckt.
    Bevor ich die knarrenden Stufen hinaufstieg, öffnete ich noch die Fenster im ersten Stock. Auf dem Dachboden nahm ich mir den Schrank vor, den ich durchsucht hatte, als Arne mit der Nachricht aufgetaucht war, er habe gerade meinen brennenden Autoreifen gelöscht. Dieses Mal wurde ich vom Klingeln meines Handys unterbrochen. Als ich den Overall gerade geöffnet und es aus der Hosentasche gezogen hatte, verstummte es. Das Display zeigte »Anruf in Abwesenheit« und Henrikes Nummer an. »Vergiss es!«, murmelte ich vor mich hin und spürte, wie Wut und Enttäuschung wieder Besitz von mir ergriffen. Ich schloss den Overall, schob das Handy in die Seitentasche und konzentrierte mich wieder auf den Schrankinhalt. Hier waren über Jahrzehnte hinweg Wäscheberge gesammelt worden. Einen der Stapel nahm ich heraus, um dahinterzusehen, als ein Knarren auf der Treppe zum Erdgeschoss mich zusammenzucken ließ.
    Bewegungslos blieb ich stehen und horchte. Wieder knarrte eine Stufe. Nur ein Mensch konnte dieses Geräusch verursachen. Sollte eine Katze durchs geöffnete Fenster gesprungen sein und sich auf Erkundungstour begeben haben, würde das lautlos vonstattengehen. Vielleicht ein neugieriger Nachbar, versuchte ich mich zu beruhigen. Gleichzeitig sah ich mich nach einem Gegenstand um, mit dem ich mich würde zur Wehr setzen können. Meinen raschelnden Overall nochmals zu öffnen und den Personenalarm aus meiner Hosentasche zu ziehen traute ich mich nicht. Das Einzige, was ich auf die Schnelle fand, war ein alter Gehstock. Auf Zehenspitzen schlich ich hinter die geöffnete Tür und hielt den Atem an.
    »Frau Mahlo? Wo sind Sie?«
    Ich kannte die Stimme. Erleichtert atmete ich auf, lehnte den Stock gegen die Wand und kam hinter der Tür hervor. »Auf dem Dachboden«, rief ich. »Warten Sie, ich komme hinunter.«
    Tilman Velte kam aus einem der Zimmer im ersten Stock. »Sie arbeiten wirklich hart für Ihre Fleißkärtchen«, sagte er mit seinem gewohnt charmanten Lächeln. »Ich hoffe, Sie bekommen für die Sonntage einen Bonus.«
    »Was machen Sie hier?«, fragte ich verwundert.
    »Mit Ihnen sprechen.«
    »Und wie sind Sie hereingekommen?«
    »Sie haben mir freundlicherweise die Fenster weit geöffnet«, antwortete er mit einer Beiläufigkeit, als steige er tagtäglich in fremde Häuser ein.
    »Woher wissen Sie, dass ich hier bin?«
    »Bestens informiert zu sein gehört zu meiner Profession.«
    Außer meiner Mutter wusste niemand, dass ich hier war. Und auch sie kannte die genaue Adresse nicht. »Sie sind mir gefolgt.«
    »Schließen Sie nie den Zufall als Möglichkeit aus! Er vollführt die unglaublichsten Kapriolen.«
    »Sind Sie mir hierher gefolgt, Herr Velte?« Ich blickte ihn eindringlich an.
    »Ja, Frau Mahlo, das bin ich.« Es schien ihm nicht einmal unangenehm zu sein. »Sie kamen mit Ihrem Auto gerade aus der kleinen Stichstraße, als ich Sie aufsuchen wollte. Also bin ich Ihnen kurzerhand hinterhergefahren und habe vor dem Haus auf Sie gewartet. Irgendwann war ich das Warten da draußen dann leid.« Er zuckte entschuldigend die Schultern.
    »Wenn Sie mir schon hinterhergefahren sind, warum haben Sie mich dann nicht vor dem Haus abgefangen?« Er sollte merken, dass mir die Situation unangenehm war.
    »Ein dringender Anruf ist mir dazwischengekommen. Sorry.«
    »Wieso wollten Sie überhaupt zu mir?«
    »Wegen des Besuches, den Sie meiner Familie abgestattet haben.« Er sagte es in vordergründig freundlichem Ton, trotzdem schwang in seinen Worten plötzlich eine unausgesprochene Drohung mit. Es war, als wäre ein Schalter in ihm umgelegt worden.
    »Lassen Sie uns morgen

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