Das verstummen der Kraehe
hatte dunkelblonde Haare mit Koteletten, eine breite Stirn und hohe Wangenknochen. Die Muskeln unter seinem eng anliegenden schwarzen T-Shirt wurden mit Sicherheit mehrmals in der Woche trainiert.
»Tut mir leid, dass ich Sie störe«, sagte ich.
»Ich hoffe, Ihnen geht nicht jede Lüge so leicht über die Lippen«, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln.
Ich ging ein Stück weiter auf ihn zu und lehnte mich an einen Baumstamm. »Kannten Sie Theresa Lenhardt?«
»Sie sind die Testamentsvollstreckerin.«
»Kristina Mahlo. Ich würde wirklich sehr gerne kurz mit Ihnen reden.«
Er hievte sich aus der Hollywoodschaukel, schob die Hände in die Taschen seiner verwaschenen Jeans und musterte mich eindringlich. »Was an dieser Sache eilt so sehr, dass Sie hier an einem Sonntag auftauchen? Oder wissen Sie mit Ihrer freien Zeit nichts anzufangen?« Er rollte den Spiegel zusammen, klemmte sich das Magazin unter den Arm und kam auf mich zu. Zwei Meter vor mir blieb er stehen. In seinem Blick lag eine Herausforderung, die mich irritierte.
»Sonntags redet es sich meist ungezwungener«, sagte ich.
»Sonntags rede ich meist gar nicht.«
»Und wie wäre es mit einer Ausnahme?«
»Kommen Sie! Bringen wir es hinter uns.« Sein Lachen hatte etwas Mitreißendes.
Ich folgte ihm den Trampelpfad entlang und schließlich durch die Terrassentür in einen Raum, der ganz offensichtlich sein Büro war.
»Mögen Sie auch einen Kaffee?«
»Lieber ein Wasser.«
Ich sah mich in dem Raum mit den hohen Decken um. Links von der Terrassentür waren zwei große Fenster, schräg davor standen ein Schreibtisch mit Drehstuhl sowie zwei Besucherstühle. Eine Wand beherbergte verschlossene Aktenschränke. Diskretion schien hier keine leere Worthülse zu sein. Gegenüber stand eine Couchgarnitur aus cognacfarbenem Leder und Chrom, allem Anschein nach Designerstücke aus den Achtzigern. Ich ließ mich in die Polster sinken.
»Ich habe nur Leitungswasser.« Er reichte mir ein Glas und setzte sich mir mit einem Kaffeebecher gegenüber. »Also, legen Sie los. Was wollen Sie wissen?«
»Was Sie bei Ihren Recherchen herausgefunden haben.«
»Das hätten Sie alles in den Berichten nachlesen können, die ich Frau Lenhardt geliefert habe.«
»Sie hat sämtliche Akten vor ihrem Tod vernichtet.«
Er stand auf, holte aus einem der Aktenschränke einen Ordner und legte ihn aufgeschlagen vor sich auf den Tisch. »Auf diese Weise hat die gute Frau Lenhardt wohl dafür gesorgt, dass wir uns begegnen.«
Die Wärme, die hinter seinem Lächeln zum Vorschein kam, beschleunigte meinen Puls. Ich sah an ihm vorbei zum Fenster.
»Sie haben im Auftrag von Theresa Lenhardt mehrere Personen überprüft. Können Sie mir etwas darüber sagen?« Ich richtete den Blick wieder auf ihn.
Er beugte den Oberkörper vor, stützte die Ellenbogen auf die Knie und das Kinn auf die gefalteten Hände. »Wenn Sie arbeiten, spüren Sie sicheren Boden unter den Füßen, stimmt’s? Aber im Flirten sind Sie kein Profi, das macht Ihnen eher Angst.«
»Ich kann nur hoffen, dass Sie bei Ihren Ermittlungen einen besseren Blick haben.«
Sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter. »Lassen wir es auf einen Versuch ankommen.«
»Was wissen Sie über die Lischkas?«
»Also gut!« Er richtete den Blick auf den geöffneten Ordner. »Beginnen wir beim Mordopfer. Der Mann hatte als Journalist den Ruf eines Trüffelschweins. Er galt als sehr treffsicher bei der Suche nach sensationsträchtigen Themen. Allerdings soll er nicht immer sehr wählerisch gewesen sein, was die Methoden der Informationsbeschaffung betraf. Privat war er der Typ Schürzenjäger, der nichts anbrennen ließ. Seine finanzielle Misere hat die negativen Aspekte seines Charakters wohl eher noch akzentuiert. Der Betrug an Fritz Lenhardt ist der beste Beweis. Dieser Mann muss, nach allem, was ich über ihn gehört habe, ziemlich ausgeschlafen gewesen sein. Einer wie er wird sowohl seine finanzielle Situation als auch die Rechtslage überblickt haben, wenn Sie mich fragen.
Seine Frau war angeblich seine Jugendliebe. Sie hat mit eher mäßigem Erfolg als Schauspielerin und Model gearbeitet, bevor sie sich dem Yoga verschrieben hat. Böse Zungen behaupten, nur ihr tägliches Om habe verhindert, dass sie ihrem Mann ein Messer zwischen die Rippen gestoßen habe. Die beiden haben zwei halbwüchsige Kinder.«
»Sind Sie diesen Behauptungen nachgegangen?«
»Bin ich. Es ist jedoch nichts dabei herausgekommen. Allem Anschein
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