Das verstummen der Kraehe
nicht ein anderes Motiv gehabt?«
Sie öffnete ihr Jackett und fächerte sich mit ihrer Serviette Luft zu. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, worauf Sie hinauswollen.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab.« Ich schwieg und verließ mich darauf, dass die meisten Menschen das nicht lange aushielten.
»Mein Gott, diese dumme kleine Affäre«, sagte sie nach einer Weile. »Wer hat Ihnen davon erzählt? Der Detektiv, den Theresa beauftragt hat? Das hätte ich mir denken können. Er hat Ihnen vermutlich auch das von Christoph erzählt. Ja, es stimmt, mein Mann hatte eine Liaison mit Rena. Kurz und intensiv, wie er es bezeichnet hat. Das war nicht einmal etwas Besonderes, so hat er über all seine Affären geredet.« Es hatte etwas Selbstzerfleischendes, wie sie es sagte.
»Wissen Sie, wer von beiden die Affäre beendet hat?«
»Mit Sicherheit er. Konstantin war zu eitel, um zu riskieren, dass er abserviert wurde. Aber Rena hat es nichts bedeutet. Es ging nur um Sex, um nichts sonst.«
»Woher wissen Sie das?«
»Von ihr. Von meinem Mann bestimmt nicht.« Sie lachte bitter. »Er hatte immer nur Ausflüchte.«
»Rena Velte hat mit Ihnen so offen darüber geredet?«
»Ich habe die beiden erwischt. Da sie es nicht abstreiten konnte, versuchte sie mir zu erklären, wie es dazu gekommen war. Erst dachte ich damals, ich würde ihr das nie verzeihen, aber mit der Zeit habe ich sie sogar verstanden.« Sie biss auf ihrer Unterlippe herum. »Wissen Sie, wir hätten fünf Kinder haben können, wenn wir gewollt hätten, es hat immer auf Anhieb geklappt. Ich brauchte nur die Pille abzusetzen, und ein paar Wochen später war ich schwanger. Aber es gibt Paare, bei denen das nicht so einfach geht. Und da bekommt der Sex mit der Zeit eine andere Qualität, er wird zweckbestimmt und verliert jede Spontaneität.«
Und diese Spontaneität hatte Rena Velte bei Konstantin Lischka wiederzuentdecken gehofft. »Wenn Rena Velte so offen zu Ihnen war, wissen Sie vielleicht auch, wie sie die Abfuhr Ihres Mannes genommen hat?«
»Gelassen und irgendwie auch erleichtert. Nachdem ich den beiden auf die Schliche gekommen war, hätte sie die Affäre ohnehin nicht weitergeführt. Konstantin ist ihr lediglich zuvorgekommen.«
»Das heißt, Rena Velte hatte kein Motiv, Ihren Mann zu töten. Was ist mit Tilman Velte? Eifersucht ist eines der stärksten Motive.«
»Nicht für Tilman. Ich habe ihm Renas kleinen Fehltritt damals gesteckt. Und wissen Sie, was er daraufhin getan hat? Er hat mich aus dem Haus geworfen und mir unterstellt zu lügen. Nur weil meine Ehe ein einziges Desaster sei, müsse ich nicht seine Frau mit Dreck bewerfen.« Sie starrte in ihr Weinglas. »Rena ist zu beneiden um einen so loyalen Mann.«
»Loyalität seiner Frau gegenüber ist eine Sache, den Nebenbuhler ungeschoren davonkommen zu lassen, eine andere.«
»Er hat mir nicht geglaubt! Verstehen Sie? In seinen Augen hat dieser Fehltritt nie stattgefunden. Also hatte er auch keinen Grund, Konstantin umzubringen.«
»Und was ist mit Ihnen?« Ich ließ sie keine Sekunde aus den Augen.
Nadja Lischka hielt meinem Blick stand. »Es hat Jahre gegeben, in denen ich gelitten habe wie ein Hund. Aber ich habe es nie als Eifersucht empfunden, sondern als eine tiefe Wunde. Er hat mich immer wieder verletzt, und ich habe mich dafür verachtet, ihn nicht zu verlassen.«
»Sind Sie wegen Ihrer Kinder geblieben?«, fragte ich behutsam.
»Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich zwölf war. Die Erfahrung wollte ich meinen Kindern ersparen. Vielleicht hätte ich ihnen ein bisschen mehr zutrauen sollen.« Mit einem traurigen Lächeln hob sie ihr Weinglas. »Mein Mann war alles andere als einfach. Er hat mir viel zugemutet. Trotzdem vermisse ich ihn. Einige meiner Freundinnen meinen, ich müsse erleichtert sein, aber das bin nicht.«
Ich ließ ihre Worte einen Moment im Raum stehen. »Eines würde ich gerne noch wissen …«
Sie blickte auf.
»Es geht um diesen Satz, den Rena Velte mitgehört haben will. Und ich meine jetzt nicht die Version von Beate Angermeier, sondern die ursprüngliche: Ich hab dich mit Ben Mahlo gesehen . Lassen Sie sich mal für einen Moment darauf ein. Mit wem könnte Ihr Mann meinen Bruder Ben gesehen haben?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass einer der Männer, die am vierzigsten Geburtstag von Fritz Lenhardt um einen Tisch saßen, homosexuelle Neigungen hat oder hatte?«
»Was?« Sie zog die Stirn in Falten.
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