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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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»Nein … das glaube ich nicht.«
    »Bitte«, insistierte ich, »überlegen Sie in Ruhe. Gab es bei keinem von ihnen je Anzeichen dafür?«
    »Wie kommen Sie auf diese Idee?«
    »Mein Bruder war homosexuell.«
    Jetzt nahm sie sich die Zeit, nachzudenken. »Es hat nie den kleinsten Hinweis gegeben«, meinte sie schließlich, »bei keinem. Das ist das Einzige, was ich dazu sagen kann.«
    »Dann habe ich noch eine letzte Frage. Wissen Sie etwas darüber, dass Ihr Mann kurz vor seinem Tod plante, eine Reportage über Hacker zu schreiben?«
    »Nein, aber das heißt nichts. Mein Mann hatte ständig einige Themen in der Pipeline, wie er das nannte. Wie kommen Sie gerade auf Hacker?«
    »Es wäre eine weitere mögliche Verbindung zu meinem Bruder.«
    »Ihr Bruder war Hacker?«
    »Nein, das war er nicht. Er hat Informatik studiert. Aber es gibt Menschen, die das eine mit dem anderen verwechseln.«
    Sie sah mich ernst an. »Konstantin hätte das nicht verwechselt. Er war gut in seinem Job.« Es klang ein wenig so, als hätte sie sagen wollen, wenigstens darin sei er gut gewesen. Sie schien meinen Gedanken erraten zu haben und lächelte. »Er war auch ein sehr guter Vater.«
    Als der Kellner mit der Rechnung kam, bestand sie darauf, den gesamten Betrag zu übernehmen. Ich machte ihr jedoch unmissverständlich klar, dass ich mich damit in eine angreifbare Lage bringen würde. Daran könne schließlich keinem von uns beiden gelegen sein.
    »Aber Sie dürfen mir einen Gefallen tun und Rosa und mich bei mir zu Hause absetzen.« Die Vorstellung, durch die Dunkelheit zu radeln, bereitete mir größere Sorge als die, neben einer leicht angetrunkenen Fahrerin am Baum zu landen.
    »Und Ihr Fahrrad?«, fragte sie.
    »Das hole ich morgen.«
    Simon war im Sessel eingeschlafen. Aus seinen Lautsprecherboxen drang leise die Stimme von Rebekka Bakken. Ein Buch über Weinanbau, in dem er offenbar gelesen hatte, lag auf seinem Knie. Ich nahm es vorsichtig und legte es auf den Tisch, wo ein halb leer gegessener Teller stand. Ein Rest Rucolasalat und kaltes Huhn waren übrig geblieben.
    »Rosa«, lockte ich leise. Die Hündin hatte sich neben Simons Füßen eingerollt. »Hier ist ein Betthupferl.« Ich ging in die Hocke und gab ihr das Huhn in kleinen Stücken. Sie konnte gar nicht so schnell schlucken, wie sie um Nachschub bettelte.
    »Keinesfalls etwas vom Tisch«, hörte ich Simons Stimme hinter mir. »Ist das nicht eine deiner unumstößlichen Regeln für die Hundeerziehung?«
    Ich drehte mich um, während Rosa meine Finger ableckte. »Erwischt.«
    Simon blinzelte ins Licht. »Gibt es noch mehr Regelverstöße, von denen ich nichts weiß?«
    Ich senkte den Blick zu Rosa und streichelte sie ausgiebig. »Nichts von Bedeutung«, sagte ich leichthin und machte mir einen Spaß daraus, so zu tun, als würde ich etwas vor ihm geheim halten. Den Gedanken an Martin Cordes und mein schlechtes Gewissen, das sich unmittelbar bemerkbar machte, verscheuchte ich schnell wieder. »War der Kunde, der dich so lange in Anspruch genommen hat, wenigstens nett?«
    »Nett?« Simon schüttelte den Kopf. »Er war einer von der redseligen Sorte. Pausen hat er nur zum Atmen und Trinken gemacht. Anstelle seiner Frau würde ich Reißaus nehmen. Das grenzt ja an Körperverletzung.«
    »War’s wenigstens interessant, was er erzählt hat?«
    »Belangloses Zeug … Wie groß das Steak in einem bestimmten Restaurant war, wie klein dagegen in einem anderen. Wo er die meisten Prozente bekommt. Dass Biolebensmittel völlig überschätzt werden und sie ohnehin kein bisschen besser seien als die konventionellen. Dass Rolex früher schönere Uhren entworfen hätte, dass …«
    »Und da konntest du an dich halten?«, unterbrach ich ihn.
    »Ich hab einfach auf Durchzug geschaltet und ihn reden lassen. Immerhin war er keiner von der Sorte, die die ganze Zeit prahlt. Deshalb sind mir Frauen als Kundinnen so lieb, die sind bescheidener.«
    Ich drehte die Musik ein wenig lauter, zog Simon an beiden Händen aus dem Sessel und schmiegte mich dicht an ihn. Es dauerte keine zehn Sekunden, bis sich unsere Körper im Einklang zu Rebekka Bakkens »September« bewegten. Ich schloss die Augen und gab mich den langsamen Klängen und Simons sanft tastenden Händen hin. Als er mich küsste und dabei eine seiner Hände um meinen Nacken legte, zuckte ich zurück. Sofort ließ er seine Hand meinen Rücken hinabgleiten. »Entschuldige«, sagte er dicht an meinem Ohr, »das habe ich ganz vergessen. Wie

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