Das verstummen der Kraehe
nicht so weit gegangen, Fritz auch noch zu erpressen, die Sache mit dem Haus war doch schon schlimm genug. Aber vielleicht hat er Tilman erpresst. Dennoch, es war Fritz’ Messer, das am Tatort gefunden wurde«, sagte sie bedrückt. »Und vor Gericht wurden schließlich alle Zweifel ausgeräumt.«
»Trifft das auch auf all Ihre Zweifel zu? Immerhin könnte Tilman Velte sich das Messer aus dem Haus der Lenhardts genommen haben.«
»Sie vergessen das Haar!«
Wortlos griff ich über den Tisch und zupfte ein blondes Haar von ihrer Schulter, bevor ich es zu Boden fallen ließ.
Sie rieb sich die Oberarme, als friere sie.
»Die Frage ist doch, warum Tilman Velte das getan haben könnte. Warum bringt man den einen Freund um und schiebt es dem anderen in die Schuhe?«, überlegte ich laut. »Um einen unliebsamen Mitwisser gleich mit auszuschalten? Und um selbst ungeschoren davonzukommen? Hatte Tilman Velte ein Alibi?«
»Ja. Er und seine Frau haben die Nacht nebeneinander im Bett verbracht. Rena hat einen sehr leichten Schlaf. Sie hätte es bemerkt, wenn er aufgestanden wäre.«
Der Kellner stellte die gefüllten Teller vor uns hin. Nadja Lischka bestellte sich ein weiteres Glas Wein. Während ich mich hungrig über die Tagliatelle hermachte, ließ ich mir alles noch einmal durch den Kopf gehen. »Es geht darum, den Mordverdacht gegenüber jedem einzelnen Erben auszuräumen. Es hätte also völlig ausgereicht, mir von Tilman Veltes Alibi zu erzählen, stattdessen haben Sie eher Zweifel geweckt. Wieso?«
Die Frage schien ihr unangenehm zu sein. »Ich habe in den letzten Tagen so viel nachgedacht über damals. Irgendwann hat mir der Kopf geschwirrt, und ich wusste nicht mehr, wo oben und wo unten ist. Ich glaube, ich wollte diese Geschichte einfach loswerden. Vielleicht können Sie sie besser beurteilen als ich. Wir alle sind viel zu nah dran.« Sie stach die Gabel in einen Steinpilz und schob ihn in den Mund.
Mein Handy meldete eine SMS. Ich las Simons Nachricht: Sorry, aber ich schaffe es nicht. Komm du später zu mir. Kuss S.
Ich antwortete mit einem Smiley, entschuldigte mich bei Nadja Lischka und ließ das Handy zurück in meine Tasche fallen. »Ich kann es noch viel weniger beurteilen als Sie«, nahm ich den Faden wieder auf. »Und letztlich kann ich mit der Information nichts anfangen. Tilman Velte hat ein Alibi, und seine beiden Mitwisser bei den Insidergeschäften sind tot. Sollte er dabei seine Finger im Spiel gehabt haben, wie Sie es andeuten, wird er das ganz sicher nicht zugeben.«
»Es gibt noch mehr, was ich Ihnen erzählen wollte.« Sie nahm einen Schluck Wein. Dann beugte sie sich näher zu mir. »Vor Jahren kursierte das Gerücht, Christoph Angermeier habe eine seiner Patientinnen sexuell genötigt.«
»Davon habe ich gehört.«
»Von wem?«
»Das spielt keine Rolle.« Ich dachte an Martin Cordes und spürte ein aufgeregtes Prickeln, dem sofort das schlechte Gewissen folgte.
»Diese Patientin hat Christoph damals angezeigt«, holte sie meine Gedanken an den Tisch zurück.
»Aber Tilman Velte hat seinem Freund ein Alibi gegeben, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Ich bin damals das Gefühl nicht losgeworden, dass es ein Gefälligkeitsalibi war. Nicht, dass ich Christoph damit eine sexuelle Nötigung unterstellen will, aber diese Frau hat ziemlich viel Wind gemacht. Sie hat behauptet, er habe sie unter einem fadenscheinigen Grund außerhalb der Sprechstunde ins Institut bestellt. Er habe gesagt, mit einer Blutprobe sei etwas schiefgelaufen, sie sei ihm hinuntergefallen, und ihr müsste nun noch einmal Blut abgenommen werden. Es sei an einem Samstag gewesen, und sie seien allein gewesen.« Nadja Lischka senkte die Stimme fast zu einem Flüstern. »Erst habe er ihr Blut abgenommen und dann vorgeschlagen, sie noch einmal ganz gründlich zu untersuchen. Vorher habe er ihr eine Menge Fragen gestellt über die Qualität der sexuellen Beziehung zu ihrem Mann, ob die unter dem Kinderwunsch leide, ob sie manchmal das Bedürfnis nach außerehelichen Kontakten habe. Bei der anschließenden Untersuchung habe er versucht, sie sexuell zu stimulieren. Sie hat danach Christoph angezeigt. Da er ein Alibi hatte, wurde keine Anklage erhoben. Kurz darauf hat die Frau es über die Medien versucht. Ich glaube, sie wusste nicht, dass Konstantin und Christoph befreundet waren. Sie hat sich an meinen Mann gewandt, weil er dafür bekannt war, sich auf die heißen Eisen zu stürzen. Aber Konstantin hat natürlich
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