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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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kannst du noch so lange bleiben, bis ich Ersatz für dich gefunden habe?«
    Als sie sich zu mir umdrehte, sah ich Tränen in ihren Augen. »Meine Mutter meinte, du würdest ganz bestimmt Verständnis haben und mir deswegen nicht kündigen. Sie …«
    »Wovon redest du? Warum sollte ich dir kündigen? Ich habe angenommen, du wolltest kündigen.«
    »Ich? Bist du verrückt? Ich will auf keinen Fall kündigen! Ich bin doch so froh über diesen Job. Aber ich schaffe das einfach nicht mit der Pünktlichkeit. Bei meinem Vorstellungsgespräch hast du aber gesagt, dass du allergrößten Wert darauf legst.«
    Ich ließ mich auf einen der Stühle sinken und sah sie sprachlos an.
    »Was Pünktlichkeit angeht, bin ich nicht so sehr deutsch, verstehst du? Es fällt mir schwer, jeden Tag auf die Minute irgendwo zu sein.«
    Ein Stein fiel mir vom Herzen. »Vergiss einfach, was ich gesagt habe, ja? Wenn du morgens irgendwann zwischen acht und neun hier auftauchst, ist das völlig okay. Seit mein Bruder verschwunden ist, habe ich diese Macke mit dem Zuspätkommen. Ich denke immer gleich, es sei etwas passiert.«
    Sie lachte wieder. »Dann machen wir es doch so: Wenn ich bis neun nicht da bin und mich auch nicht gemeldet habe, darfst du dir Sorgen machen.«
    »Abgemacht!«
    Plötzlich war eine Männerstimme aus dem Büro zu hören. Ich lief hinüber und sah Tilman Velte vom Hof aus durch das Bürofenster hineinschauen.
    »Guten Morgen«, rief er mir entgegen. Selbst in seinem Fahrraddress, den er gegen Maßanzug und Krawatte getauscht hatte, wirkte er auf verblüffende Weise elegant. Er nahm den Helm vom Kopf und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. »Haben Sie eine Sekunde für mich?«
    »Kommen Sie rein, den Weg kennen Sie ja.«
    Er nickte und machte eine Handbewegung, als salutiere er.
    »Ich bin kurz im Besprechungsraum«, informierte ich Funda, die in der Küche Teekanne und Gläser auf ein Tablett stellte.
    »Wieder der von gestern?«, flüsterte sie. Sie meinte Martin.
    »Nein, ein anderer.«
    »Dann bin ich beruhigt.«
    Ich auch, dachte ich im Stillen, und betrat das Besprechungszimmer, wo Tilman Velte bereits Platz genommen hatte. Dieses Mal saß er am Kopfende, was ich amüsiert registrierte.
    »Sie sollten öfter lächeln«, meinte er. »Das steht Ihnen gut.«
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte ich, ohne auf seinen Kommentar einzugehen.
    »Nein, danke. Ich fahre gleich weiter. Ich wollte nur kurz die Gelegenheit nutzen, um alleine mit Ihnen zu sprechen.«
    »Wie oft machen Sie Touren mit Ihrem Rennrad?«
    »Jetzt haben Sie wieder Ihre professionelle Miene aufgesetzt. Das ist schade. Anders gefallen Sie mir besser.«
    »Professionalität ist in manchen Situationen angebrachter.«
    »Da gebe ich Ihnen recht. Also zurück zu Ihrer Frage. Touren mit meinem Rennrad mache ich so oft wie möglich. Ich kann mir meine Zeit einteilen, und das nutze ich schamlos aus.« Er grinste wie ein Junge, der gerade Kirschen geklaut hatte, ohne dabei erwischt zu werden.
    »Worüber wollten Sie mit mir sprechen?«
    »Über Nadja. Diesen Unsinn von Leichen in den Kellern glauben Sie ihr hoffentlich nicht. Durch die Schuld ihres Mannes steckt sie heute immer noch in großen finanziellen Schwierigkeiten. Und wozu Menschen in einer solchen Situation fähig sind, können Sie sich bestimmt vorstellen.« Er forschte in meinem Gesicht und wartete auf eine Reaktion. Als die ausblieb, fuhr er fort. »Ich würde gerne wissen, was sie in diesem Gespräch mit Ihnen alles behauptet hat, damit ich es richtigstellen kann.«
    »Es war ein vertrauliches Gespräch. Ich kann Ihnen lediglich sagen, was Frau Lischka über Sie gesagt hat.«
    »Das genügt mir völlig.«
    In knappen Worten erzählte ich ihm von den Insidergeschäften und dem möglicherweise falschen Alibi für seinen Freund Christoph Angermeier.
    Er blickte mich amüsiert an. »Das ist alles?«, fragte er.
    »Was haben Sie erwartet?«
    »Ein Mordmotiv, denn darum geht es hier doch die ganze Zeit.«
    »Wären Ihre Insidergeschäfte ans Licht gekommen, hätten Sie Ihren Laden dichtmachen können. Von einer Haftstrafe ganz zu schweigen.«
    »Haben Sie schon mal mit dem Schicksal einen Deal ausgehandelt, Frau Mahlo?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?« Ich hoffte, mein Blick verriet nichts über meine Gedanken. Meine Deals mit dem Schicksal waren so zahlreich wie nutzlos gewesen. Was hatte ich alles tun wollen, wäre Ben nur wiederaufgetaucht.
    »Nicht einmal als Kind?«, fragte er. »Haben Sie dem

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