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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Veranlagungen.«
    »Trifft das Gleiche auch auf Ihren Freund Christoph Angermeier zu?«
    »Was Nadja da unterstellt, ist Unsinn«, brauste er auf. »Ich habe ihm kein Alibi gegeben, sondern wir waren während der Zeit, als diese sexuelle Nötigung stattgefunden haben soll, verabredet. Das ist das eigentlich Schlimme an solchen haltlosen Anschuldigungen: Sie sind nie wieder ganz aus der Welt zu schaffen.«

14
In Overalls, Kopftüchern und alten Turnschuhen standen Funda und ich eineinhalb Stunden später am Fuß der schmalen Holztreppe, die zum Dachboden des Einfamilienhauses führte. Erdgeschoss und ersten Stock hatten wir bereits bei unserem ersten Besuch, der wegen der Bonsais ein so jähes Ende gefunden hatte, nach Dokumenten und Wertsachen durchsucht. Unsere bisherige Ausbeute, die wir akribisch von Mäusekot und toten Käfern befreit hatten, ruhte in einem alten Wäschekorb im Hausflur.
    Ich prüfte jede einzelne Stufe, bevor ich sie mit Gewicht belastete. Aus Erfahrung wusste ich, dass solche Treppen böse Überraschungen bereithalten konnten. Aber die Stufen knarrten nur und schienen stabil zu sein. Oben angekommen, stieß ich die Tür zum Dachboden auf. Sie war nur schwer zu bewegen und ächzte in den Angeln. Ein Blick in diesen Raum genügte, und Funda wusste, warum wir Kopftücher trugen. Unzählige Spinnen hatten hier über Jahre ungehindert ihre Netze gesponnen. Holzleitern, Blechwannen, kaputte Stühle, ein Küchenbuffet, ein Kleiderschrank, Hirschgeweihe, Werkzeug, Matratzen und leere Flaschen – alle Gegenstände waren durch hauchdünne Fäden verbunden oder hinter einem weißen Schleier verborgen.
    »Und jetzt?«, fragte Funda. Es klang, als könne sie es nicht erwarten loszulegen.
    »Jetzt durchsuchen wir Küchenbuffet und Kleiderschrank nach Wertsachen.«
    Funda bewegte sich durch die Spinnweben, als sei sie auf Safari in einem wuchernden Urwald. Sie begann, die Schubladen des Buffets herauszuziehen. »Wer entsorgt das alles?«
    »Ich werde Henrike damit beauftragen, falls sich herausstellt, dass es keine Erben gibt.«
    »All das Gerümpel schafft sie doch gar nicht alleine.«
    »Keine Sorge, sie hat ein paar vertrauenswürdige Studenten, die ihr helfen.«
    Funda hielt inne und sah sich um. »Wer sollte denn hiervon etwas stehlen?«
    »Beim Entrümpeln werden immer wieder wertvolle Dinge entdeckt, die ich bei der Nachlasssicherung nicht gefunden habe. Ich muss mich darauf verlassen können, dass nichts verschwindet. Henrike genauso.«
    »Wie kommt man denn darauf, Entrümplerin zu werden?«
    Ich nahm den Schrank unter die Lupe und wühlte mich durch Berge alter Bett- und Tischwäsche. »Henrikes Traum war schon immer ein Trödelladen. Sie geht mit einem völlig anderen Blick als wir durch solche Räume. Bei den meisten dieser Gegenstände kann sie sich sofort vorstellen, wie sie sich aufarbeiten lassen und wo sie in ihrem Laden stehen werden. Als Entrümplerin arbeitet sie direkt an der Quelle.« Zwischen den gestapelten Tischdecken zog ich ein goldenes Medaillon hervor und hielt es Funda hin. »Sieh mal! Zwischen Wäschestücken liegt oft Schmuck.«
    Sie öffnete das Medaillon und betrachtete das Foto auf der Innenseite. »So gut gehütet und jetzt braucht es niemand mehr. Traurig.«
    »Vielleicht gibt es ja Erben. Wenn du dir in den nächsten Tagen die Dokumente vornimmst, werden wir mehr wissen.«
    »Kris? Bist du da oben?«, rief Arne.
    »Ja. Warte einen Moment, wir kommen runter.« Ich schob das Medaillon in die Overalltasche und gab Funda ein Zeichen, mir zu folgen. »Das ist Arne Maas, er ist Autohändler und schaut sich das Auto und das Motorrad in der Garage an.«
    Vorsichtig stiegen wir die Treppe hinunter. Unten angekommen, blickte uns Arne finster entgegen. Er stand breitbeinig im Flur und hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    »Dein Auto wäre beinahe abgefackelt.«
    »Was?« Ich drängte mich an ihm vorbei und lief zur Straße. Am hinteren rechten Kotflügen sah die grüne Gurke überhaupt nicht mehr grün aus, sondern war mit einem feinen weißen Schaumteppich überzogen. »Haha, ziemlich blöder Scherz!«, sagte ich und gab mir Mühe, ruhig zu bleiben, als Arne sich neben mir aufbaute. »Trotzdem werde ich in absehbarer Zeit kein neues Auto kaufen. Haben du und Simon das alleine ausgeheckt, oder hat mein Vater sich beteiligt?«
    »Du glaubst allen Ernstes …?«
    »Ja«, unterbrach ich ihn wütend. »Und deshalb werde ich Funda und mir jetzt

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