Das verstummen der Kraehe
lieben Gott nie versprochen, immer Ihre Hausaufgaben zu machen, wenn Sie dafür die heiß ersehnten Schlittschuhe zu Weihnachten bekommen?«
»Wie kommen Sie ausgerechnet auf Schlittschuhe?« Es hatte tatsächlich eine Zeit gegeben, da hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht.
Er betrachtete mich einen Moment, als nehme er Maß. »Sie sind nicht der Typ, der sich für Barbiepuppen interessiert.«
»Welchen Deal mit dem Schicksal haben Sie denn geschlossen?«
»Ich habe geschworen, keine halbseidenen Geschäfte mehr zu machen, sollte unser Kind gesund auf die Welt kommen. Und daran habe ich mich gehalten. Das ist jetzt sieben Jahre her. Meine Insidergeschäfte gehören der Vergangenheit an.«
»Dennoch sind beide Männer, die davon wussten, heute tot.«
»Was mich nicht mit Erleichterung erfüllt, falls Sie darauf hinauswollen. Ich wünschte, die beiden würden noch leben. Alte Freunde lassen sich nicht ersetzen.«
»Ehemänner auch nicht«, sagte ich trocken.
»Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass Nadja Konstantin als unersetzlich betrachtet.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er war ein Schürzenjäger wie aus dem Bilderbuch. Er hat sie nach Strich und Faden betrogen. Monogamie ist eine Disziplin mit beachtlichen Herausforderungen, finden Sie nicht?« Er verzog keine Miene, nur in seinen Augen blitzte es spöttisch.
»Beherrschen Sie diese Disziplin?«, fragte ich zurück.
»Würde ich es nicht tun, würde ich meine Frau verlieren. So einfach ist das. Ich habe Konstantin nie verstanden. Nadja kann heute ziemlich zickig sein, früher war sie hinreißend. Er hätte sie nicht so oft verletzen dürfen.«
»War er denn so unvorsichtig, dass sie von seinen Affären erfahren hat?«
»Sie weiß sicher nicht von allen, aber von einigen.«
Sie wusste zumindest von Rena Velte. Aber deren Mann hatte dieses Wissen als Lüge abgetan.
»Hatte eine dieser Frauen eine größere Bedeutung für ihn?«
Er schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er hat sich nie ernsthaft auf eine von ihnen eingelassen, sondern sie immer sehr schnell wieder ad acta gelegt. Aber Nadjas Ego hat das nicht gutgetan. Sie hat sich in diesen Jahren sehr verändert.«
»Warum hat sie ihn nicht verlassen?«
»Mit zwei Kindern, ohne Ausbildung und ohne Familie, die sie unterstützt? Das Schlimme ist, dass sie aus ihrem Frust heraus irgendwann angefangen hat, mit wirren Behauptungen und Verleumdungen um sich zu schlagen.«
»Können Sie mir ein Beispiel nennen?«
»Einmal hat sie sogar meiner Frau unterstellt, etwas mit Konstantin angefangen zu haben«, ungläubig schüttelte er den Kopf.
»Wie hat Ihre Frau darauf reagiert?«
»Entsetzt und enttäuscht.«
»Und Sie?«
»Verärgert. Aber letztlich fand ich es verzeihlich. Ich vermute, sie hat nicht ertragen können, dass meine Frau und ich glücklich miteinander sind.« Er schwieg und schien seinen Gedanken nachzuhängen.
»Ich würde Sie gerne noch etwas fragen, Herr Velte«, durchbrach ich die Stille.
Er hob die Brauen und sah mich erwartungsvoll an.
»Können Sie sich irgendeine Verbindung zwischen einem der Geburtstagsgäste von Fritz Lenhardt und meinem Bruder Ben vorstellen? Ich weiß, dass Sie alle überzeugt sind, Ihre Frau habe sich verhört, aber …«
»Meine Frau hat sich verhört.«
»Vergessen Sie das bitte mal für einen Moment, und stellen Sie sich nur diese Frage. Könnte es eine Verbindung gegeben haben?«
Tilman Velte wich meinem Blick aus und sah zum Fenster. Seinem Mienenspiel nach zu urteilen, focht er einen innerlichen Kampf aus. Zögernd rückte er schließlich mit der Sprache heraus. »Es gab einen Abend vor vielen Jahren, da haben Fritz und ich uns ziemlich betrunken. Er hat mir damals gestanden, dass er homoerotischen Abenteuern nicht völlig abgeneigt sei, und wollte wissen, ob es mir ähnlich gehe.«
»Und? Geht es Ihnen ähnlich?«
Er lachte über meine Frage.
»Hat er dieses Thema später noch einmal angesprochen?«, fragte ich.
»Nein, vermutlich hat er sich nach dieser Nacht gar nicht mehr daran erinnert. Ich habe eben erst wieder daran gedacht, als Sie mich nach einer möglichen Verbindung zu Ihrem Bruder gefragt haben. War der nicht schwul? Ich meine, ich hätte das in den Berichten über sein Verschwinden gelesen.«
»Wie passt es dann Ihrer Meinung nach zusammen, dass Fritz Lenhardt eine Affäre mit Beate Angermeier hatte?«
»Manche Menschen sind bisexuell«, meinte er mit einem Schulterzucken. »Es gibt so viele Varianten und
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