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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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vor das größte und am sorgsamsten gebaute Haus. »Steinmeisterin«, rief dort der Anführer. Einige Augenblicke später kam eine Frau zum Vorschein, klomm die Stiege herab und trat vor Covenant und Hohl. Sie war von hohem Wuchs und bewegte sich mit sonderbarer Verschmelzung von Autorität und Verzweiflung. Ihr Gewand war von kräftigem Smaragdgrün – das erste farbenfrohe Kleidungsstück, das Covenant in diesem Kaff erblickte –, und es war unbeschädigt; dennoch trug sie es deutlich nachlässig. Das Haar umkrauste ihren Kopf in einem Gewirr von Strähnen. Sie hatte geweint; ihr Gesicht war düster und geschwollen, aufgequollen von Tränen. Es brachte Covenant gelinde durcheinander, in einem Holzheim eine Steinmeisterin anzutreffen. Früher hatten die im Stein- und Holzwissen Kundigen ihre Kenntnisse streng getrennt gehalten. Aber er hatte schon mehrere Anzeichen dafür bemerkt, daß man solche Unterschiede in der Tätigkeit nicht mehr so genau zu ziehen pflegte. Nach Lord Fouls Niederlage mußten die Ortschaften des Landes eine längere Periode des Zusammenwirkens und gegenseitigen Wissensaustauschs eingegangen sein. Deshalb hatte Steinhausen Kristall eine Sonnenseherin gehabt, die Holz verwendete, und Holzheim Steinmacht stand unter der Leitung einer Steinmeisterin.
    Die Frau wandte sich an den Anführer von Covenants Begleitung. »Brannil?«
    Der Genannte versetzte Covenant einen Stoß gegen die Schulter. »Dieser Mann, Steinmeisterin«, sagte er im Tonfall einer Anklage, »hat den Namen der Fremden ausgesprochen, welche wir gemeinsam mit den beiden Steinhausenern ergriffen haben. Er ist Halbhand.« Die beiden letzten Feststellungen fügte er mit hörbarem Grimm hinzu. »Er trägt den Ring aus Weißgold.«
    Die Steinmeisterin senkte den Blick auf Covenants Hand. Als sie die Augen wieder auf sein Gesicht richtete, funkelte in ihnen Wüstheit. »Bei der Steinmacht!« stieß sie hervor. »Nun werden wir doch noch Wiedergutmachung finden!« Ihr Kopf ruckte in stummem Befehl. Sie wandte sich ab und ging zurück zu ihrem Haus.
    Covenant reagierte nur langsam. Das Erscheinen der Frau – und die Erwähnung seiner Gefährten – hatten ihn vorübergehend handlungsunfähig gemacht. Doch nun riß er sich zusammen. »Warte«, rief er der Steinmeisterin nach.
    Sie blieb stehen. »Brannil«, erkundigte sie sich barsch über die Schulter, »hat er wider euch Macht entfaltet?«
    »Nein, Steinmeisterin«, gab der Mann Auskunft.
    »Dann hat er keine. Sollte er sich widersetzen, schlagt ihn besinnungslos.« Schroff betrat sie ihren Wohnsitz und schloß die Tür. Unverzüglich packten Fäuste Covenants Arme, zerrten ihn zu einem anderen Haus, stießen ihn die Stiege hinauf. Er vermochte nicht im Gleichgewicht zu bleiben, fiel gegen die Sprossen. Sofort drängten mehrere Kerle ihn die Stiege empor und schubsten ihn so grob durch den Eingang, daß er erst an der Wand gegenüber wieder Halt fand. Hohl folgte ihm. Den Dämondim-Abkömmling hatte niemand anzufassen gewagt. Er kam von sich aus in die Hütte, als sei er nicht dazu bereit, sich von Covenant absondern zu lassen. Die Tür knallte zu. Man verschloß sie, indem man eine Länge einer Ranke vorband.
    »Verdammnis«, brummte Covenant, lehnte sich rücklings an die Wand, ließ sich abwärts rutschen, setzte sich auf den aus Brettern zusammengezimmerten Fußboden und versuchte nachzudenken. Die einzige Räumlichkeit, die dieser Bau umfaßte, war kaum mehr als so etwas wie ein budenartiger Verschlag. Stellenweise sah das Holz vom Alter morsch aus. Jemand mit genug Kraft oder einem Messer hätte leicht ausbrechen können. Aber Freiheit war nicht unbedingt das, worauf es Covenant ankam. Er wollte Linden, und er wollte Sunder und Hollian wiederfinden. Und er hatte kein Messer. Und seine Kräfte empfand er als unzureichend.
    Für eine Weile erwog er, seine Befehlsgewalt über Hohl auszuüben, aber dann verwarf er die Idee. So aussichtslos war seine Lage noch nicht. Einige Zeit lang beobachtete er das Dorf durch die Löcher in den Wänden, sah die Schatten des Nachmittags im Cañon länger werden und in den Abend übergehen. Doch er sah nichts, was ihm zu irgendeinem Ausweg verholfen hätte. Die Hütte deprimierte ihn. Er fühlte sich mehr als Gefangener – hilflos und dem Unheil geweiht – als im Steinhausen Mithil. Ein bedrohliches Aufkommen naher Panik bedrückte sein Herz. Er ertappte sich dabei, wie er die Hände zu Fäusten ballte, den Dämondim-Abkömmling anstarrte, als

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