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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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bitten, bis zum morgigen Tage zu warten. Auch die Sonnengefolgschaft hält die Nachtruhe ein. Der Ursprung des Sonnenübels allerdings ist eindeutig genug. Es ist des Meisters Vergeltung am Lande, über es gebracht für die Schandtat der a-Jeroth einst geleisteten Dienste.«
    Inwendig knurrte Covenant. Diese Konzeption ging entweder auf Lüge oder eine grausame Verzerrung der Wahrheit zurück. Aber er hegte keine Absicht, mit Gibbon über Metaphysik zu diskutieren. »Das meine ich nicht. Ich brauche praktisch anwendbare Auskünfte. Wie ist es entstanden? Wie erhält es sich aufrecht? Wie ist seine Wirkung zu erklären?«
    Gibbons Blick blieb fest. »Halbhand, besäße ich solches Wissen, ich hätte es bereits benutzt.«
    Schrecklich. Covenant wußte nicht, ob er dem na-Mhoram glauben sollte. Eine Welle emotionaler Erschöpfung überrollte ihn. Er begann einzusehen, wie schwer er es haben würde, an die Informationen zu gelangen, die er benötigte; er wußte noch nicht einmal die richtigen Fragen. Ihm drohte der Mut zu schwinden. »Du bist ermüdet«, sagte Gibbon. Covenant nickte lediglich. »Iß nun, gönne dir Schlaf. Mag sein, der morgige Tag wird zu neuen Einsichten verhelfen.«
    Doch als Gibbon zur Tür strebte, verspürte Covenant den Drang, es nochmals zu versuchen. »Sag mal, wie kommt es, daß Glimmermere noch Wasser hat?«
    »Wir nehmen auf das Sonnenübel Einfluß«, antwortete der na-Mhoram mit unbekümmerter Geduld. »Deshalb bewahrt die Erde eine gewisse Lebenskraft.« Ein Anflug von Zögern trat in seinen Blick und wich. »Eine alte Sage behauptet, in den Tiefen des Sees läge ein Talisman, der allerdings nicht näher genannt wird. Er soll den See wider das Sonnenübel behüten.«
    Covenant nickte erneut. Ihm war zumindest ein Gegenstand bekannt, machtvoll oder nicht, der auf Glimmermeres Grund ruhte. Gibbon verließ die Gemächer, schloß die Tür von außen, und Covenant war allein. Für ein Weilchen regte er sich nicht, ließ sich vollends von der Müdigkeit überkommen. Dann brachte er einen Stuhl hinaus auf den Balkon, um sich hinzusetzen und in der Stille des Abends in aller Ruhe nachzudenken.
    Der Balkon befand sich ungefähr in halber Höhe des südlichen Walls der Festungsstadt. Ein buckliger Mond erhob sich an den abendlichen Himmel, und Covenant konnte in dunklen Umrissen die Wipfel von Bäumen erkennen, die das Sonnenübel hatte aufschießen lassen. Die Füße gegen die Brüstung des Balkons gestemmt, um seiner Höhenangst vorzubeugen, saß er da und pflügte mit den Fingern durch seinen verfilzten Bart, versuchte wieder einmal, mit seinem Dilemma zurechtzukommen.
    Er rechnete eigentlich nicht mehr mit irgendwelchen handgreiflichen Anschlägen auf seine Person. Er hatte die Notwendigkeit der Freiheit herausgestellt, um die Sonnengefolgschaft daran zu erinnern, daß sie nichts gewann, wenn sie ihn tötete; in Wahrheit jedoch beschuldigte er die Sonnengefolgschaft nur deshalb, sie würde ihm im geheimen nach dem Leben trachten, weil er keinen Wert darauf legte, sie von seinen wirklichen Befürchtungen zu unterrichten. Er fürchtete um Linden, sorgte sich zutiefst, seine Freunde könnten in größerer Gefahr als er schweben. Wo staken sie? Hatten Gibbon und Memla in bezug auf Santonin gelogen? Und wenn, wie konnte er die Wahrheit herausfinden? Wenn nicht, was sollte er dann unternehmen? Er fühlte sich ohne Linden wie verkrüppelt; er benötigte ihr Wahrnehmungsvermögen. Sie hätte ihm darüber Aufschluß geben können, ob sich Gibbon an die Wahrheit hielt oder nicht. Indem er die Gefühllosigkeit seiner Leprose verfluchte, fragte er sich, warum von allen Menschen im Land ausgerechnet er – Thomas Covenant, Zweifler und Träger des Weißgoldes, der einst in einem Kampf ums Ganze den Verächter bezwungen hatte – so völlig hilflos sein mußte. Und die Antwort lautete, daß das Bewußtsein seiner selbst, sein fundamentales Vertrauen in das, was er war, Zweifeln unterlag. Seine sämtlichen Mittel waren zu einem Widerspruch geworden. Selbst die äußerste bewußte Anstrengung, seinem Ring auch nur die allergeringste Kraft zu entlocken, blieb erfolglos; aber wenn er sich in einem Delirium befand, vermochte er fürchterliche Macht zu entfesseln, die sich jeder willentlichen Kontrolle entzog. Aus diesem Grunde mißtraute er sich selbst und wußte nicht, was er anfangen sollte.
    Doch für diese Frage hatte die Nacht nur taube Ohren. Schließlich gab Covenant das Grübeln auf und bereitete sich

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