Das verwundete Land - Covenant 04
auf sie zustapfte, schlugen Stell und Harn unfehlbar geschickt zu und knickten ihr die Fühler, so daß sie ihre Beute nicht mehr zu lokalisieren vermochte. Die so verstümmelten Tiere gerieten danach meistens in einen Kampf auf Leben und Tod mit anderen Geschöpfen. Covenant, Sunder und Hollian eilten an aufgerissenen Kiefern vorbei, unter aufgebäumten Leibern durch, über Strecken freien Geländes, als erhalte die Tüchtigkeit der Haruchai ihnen wie mit Zauberkraft das Leben.
Ein paar Fetzen roten Stoffs kennzeichneten die Stelle von Memlas Tod, eine Stätte, an der es kein Grab geben würde, an der man nicht einmal Zeit zu einem kurzen Verweilen in Trauer fand. Die Gefährten liefen, so schnell sie konnten, verschwanden auf der anderen Seite der Kolonne im dichten, hohen Gras. Covenant torkelte. Stell und Harn traten und droschen das Gras beiseite, um den Weg freizumachen. Nur Hohl legte keine Spur von Hast an den Tag. Er besaß auch keinen Grund zur Eile: jede Kreatur, die ihn berührte, fiel sofort tot um, und ihre Artgenossen fingen sie ohne Verzug zu verschlingen an. Sobald die Gefährten ein Stück weit ins Gras vorgedrungen waren, stieß Ceer wieder zu ihnen. Er sagte nichts; aber der Gegenstand, den er in der Hand hielt, erklärte sein zwischenzeitliches Tun. Er hatte Memlas Rukh aufgelesen. Bei diesem Anblick stutzte Covenant. Möglichkeiten schossen ihm durch den Kopf. Er versuchte, sie in konkrete Ideen umzumünzen. Doch jetzt war für so etwas nicht die Zeit. Scharfes Knistern und Knacken durchschnitt das Gras wie eine Sichel; Tausende von Wesen begannen, indem sie sich durch das Gras fraßen, die Verfolgung aufzunehmen. Brinn schubste Covenant vorwärts. Die Gefährten setzten die Flucht fort.
Ceer, Stell, Brinn und Harn bildeten eine Nachhut, um den anderen den Rücken zu decken. Cail lief nun voraus. Trotz seines verletzten Arms und der reibeisenartigen Beschaffenheit der steifen, rauhen Grashalme erzwang er mit seinem Körper durch das unnatürliche Dickicht Bahn. Ihm folgte Hergrom, der Linden trug; Covenant blieb dicht an Hergroms Fersen; hinter ihm kamen Sunder und Hollian.
Die entfesselten Kreaturen machten sich dermaßen energisch an die Verfolgung, als hegten sie die volle Bereitschaft, die ganze Savanne zu zerfetzen, nur um sich an ein wenig Menschenfleisch laben zu dürfen. Das Geräusch der von ihnen aufgenommenen Jagd scheuchte die Gefährten vorwärts wie ein Steppenbrand. Cail warf sich mit all der althergebrachten Entschiedenheit der Haruchai gegen die dicken, scharfrandigen Halme; aber er konnte den dichten Bewuchs nicht schnell genug durchdringen, um die Verfolger auf hinlänglichem Abstand zu halten oder gar abzuhängen. Es dauerte nicht lange, und Covenant begann aus Mattigkeit zu wanken. Er litt noch immer unter den Folgen der Wahrsagung. Sunder und Hollian befanden sich in kaum besserer Verfassung. Linden lag über Hergroms Armen wie das Symbol einer Niederlage. Und Cail hinterließ an den Grashalmen Schmierstreifen von Blut.
In Covenants Rücken keuchte die Verzweiflung eine Forderung. Verwende deinen Ring! Aber er konnte es nicht, war gar nicht mehr dazu in der Lage. Er war zu schwach. Allmählich blieb er zurück. Cail und Hergrom schienen vor ihm im peitschenähnlichen Zurückschnellen der Halme aufzugehen. Wenn Covenant das Gift in seinem Innern die Oberhand gewinnen ließ, würde er töten, ohne zu wissen, wen oder was. Er hörte sich schreien, als wäre die Mühsal der Flucht ein Messer zwischen seinen Schultern; aber er vermochte die Qual nicht zum Schweigen zu bringen.
Plötzlich tauchte an seiner Seite Brinn auf. »Cail hat einen Ort gefunden«, meldete der Haruchai , indem er gerade laut genug sprach, um verstanden werden zu können, »an dem wir uns womöglich verteidigen können.« Covenant stolperte, sackte mit Gefuchtel zwischen gezackte Grashalm-Speere. Der Pestilenzgestank von Fäulnis raubte ihm den Atem. Aber Brinn riß ihn zurück auf die Beine. Ein Schwindelgefühl durchwirbelte Covenant. Indem er sich an Brinns Schulter klammerte, als wäre sie der einzige feste Gegenstand, den es noch in der Welt gab, ließ er sich von dem Haruchai halb tragen, halb mitschleifen.
Cails Richtung führte zu einem Riesenhaufen von Felsklötzen, der in wirrer Anhäufung aus der Savanne aufragte wie ein von Hünen zurückgelassenes Hügelgrab, um die Hälfte höher als das Gras, das sich ringsherum erstreckte. Hergrom hatte bereits die Höhe der Erhebung erklommen, droben
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