Das verwundete Land - Covenant 04
Linden in relativer Sicherheit niedergelegt und war dann nach unten zurückgekehrt, um Sunder und Hollian beim Aufstieg zu helfen. Ohne sich um seine Schmerzen zu scheren, gesellte sich Cail zu Hergrom. Stell und Harn schlossen sich an. Sie nahmen Covenant in Empfang, als Brinn und Harn ihn auf die Kuppe der Anhöhe stießen. Covenant wankte an Lindens Seite, kämpfte gegen seine Schwäche an, versuchte zu ergründen, in welchem Zustand sich Linden befand. Er hob ihren Kopf, teilte mit seinen gefühllosen Fingern ihr Haar; die Verletzung ihrer Kopfhaut erweckte nach seiner Ansicht keinen ernsten Eindruck. Sie blutete so gut wie nicht mehr. Dennoch kam Linden nicht zu Bewußtsein. All ihre Muskeln waren schlaff. Ihr Gesicht glich einem verlassenen Schlachtfeld. Covenants ungenügende Sinne konnten ihre Verfassung nicht einschätzen. Er war für sie vollkommen nutzlos.
Sunder und Hollian kamen zu ihm geklettert. Sunder kniete sich neben Linden und untersuchte sie. Müdigkeit und Bestürzung verzerrten sein Gesicht. »Ach, Linden Avery«, seufzte er. »Das ist ein arges Unglück.«
Covenant unterdrückte ein Aufstöhnen und bemühte sich, dem Kummer in Sunders Tonfall zu widersprechen. »So schlimm sieht's aber doch wohl nicht aus.«
Der Steinmeister mied Covenants Blick. »Die Verletzung an sich ... Mag sein, daß nicht einmal Cails Wunde sein Leben gefährdet. Aber es scheint eine Sonne der Seuchen.« Er verstummte.
»Ur-Lord«, ergänzte Hollian mit gepreßter Stimme, »unter einer Sonne der Seuchen ist jede Verletzung tödlich. Für die Krankheiten des Sonnenübels gibt's keine Heilung.«
»Keine?« Das Wort entfuhr Covenant wie ein Fluch.
»Keine«, quetschte Sunder durch die Zähne.
»Jedenfalls keine«, fügte Hollian mit schmerzlichem Blick hinzu, »die den Menschen des Landes bekannt wäre. Falls die Sonnengefolgschaft von derlei Heilmitteln Kenntnis hat ...« Sie brauchte ihre Überlegungen nicht vollends auszusprechen. Covenant verstand sie. Memla war tot. Weil sie aufrichtig gewesen war, hatte sie sich gegen den na-Mhoram gewandt; weil sie tapfer und mutig gewesen war, hatte sie den Zorn auf sich selbst gezogen. Und weil Covenant nicht seine wilde Magie benutzt hatte, war sie nun tot. Seine Furcht hatte sie das Leben gekostet. Er hatte die Gefährten schon um die bloße Möglichkeit gebracht, vielleicht von Memla zu erfahren, ob man Linden und Cail irgendwie behandeln konnte. Jede Verletzung tödlich. Und das war noch nicht alles. Die Landläufer waren fort. Covenant und seine Begleiter hatten keinerlei Vorräte mehr zur Verfügung. All das war seine Schuld, weil er sich gefürchtet hatte. Seine Macht tötete. Aber ohne seine Macht brachte er Menschen auf andere Weise den Tod. Memla hatte für ihn ihr Leben geopfert.
Covenants Augen brannten, als er sich trotz der damit verbundenen Gefährdung hoch aufrichtete. Die Höhe seines Standorts war für ihn eine Gefahr; doch er mißachtete sie, als könnten Schwindelgefühl oder Verlust ihm nichts anhaben. »Brinn!«
Die Haruchai hatten sich rings um die oberen Felsklötze – ungefähr in gleicher Höhe mit den Spitzen der überhohen Grashalme – zur Verteidigung aufgestellt. »Ur-Lord?« meinte Brinn über die Schulter.
»Warum habt ihr Memla sterben lassen?«
Brinn antwortete mit einem Achselzucken. »Es war ihre Entscheidung.« Sein Glaube an die eigene Untadeligkeit wirkte unerschütterlich. »Ceer hat ihr angeboten, sein Leben für sie in die Waagschale zu werfen. Sie hat abgelehnt.«
Covenant nickte. Memla hatte sich geweigert. Weil er ihr gesagt hatte, daß er keine Kontrolle über seinen Ring besaß. Brinns Antwort stellte ihn nicht zufrieden. Die Bluthüter hatten einst hinsichtlich Kevins einen ähnlichen Entschluß gefällt – und sich das Ergebnis später nie verziehen. Doch solche Fragen zählten gegenwärtig nicht. Memla war tot. Linden und Cail mußten sterben. Covenant blinzelte gegen die Hitze in seinen Augen an und schaute sich um.
Mit Ausnahme Hohls befanden sie sich alle auf dem riesigen Haufen von Felsbrocken; Hohl stand drunten, als fühle er sich in Gras und Gestank richtig wohl. Der Urwald im Westen befand sich außer Sicht. In allen Himmelsrichtungen erstreckte sich die Savanne bis zum Horizont, ein Binnenmeer aus Graugrün, vom Wind leicht gewellt. Doch sie wies eine lange Narbe entblößten Erdreichs auf, die ohne Unterbrechung nach Norden verlief. Und von ihr aus zweigte nun ein ähnlicher Trampelpfad ab, führte zur
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