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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Hartnäckigkeit unbeirrbar dazu entschlossen, den Pier einzureißen, die Felsen zu zerbrechen, Coercri zu stürmen, selbst wenn die Belagerung, um Erfolg zu haben, während der ganzen Lebensdauer der Erde währen müßte.
    »Wahrlich, dies ist eine Wohnstatt, wie sie Riesen würdig ist.« Die Erste, die Herzeleid betrachtete, sprach in einem Ton, als wolle sie ihre Rührung verheimlichen. »Unser Volk beginnt ein solches Werk nicht leichtfertig oder ohne Bedacht. Mag sein, die Riesen dieser Städte wußten, ihrer Heimat waren sie verloren. Doch sich selbst hatten sie nicht verloren. Sie haben ihrem Volk Anlaß zum Stolz gegeben.« In ihrer Stimme schwang etwas mit, das an ein schwaches Schimmern erinnerte, den Glanz heißen Eisens.
    Und Pechnase hob den Kopf, als könne er seine innere Aufgewühltheit nicht länger im Zaum halten, und sang, als wolle er den Riesen Herzeleids über die Zeitalter hinweg nachträglich seine Anerkennung bekunden.
     
    »Wir sind die Riesen,
    Geboren zum Segeln,
    Und folgen kühn, wohin unsere Träume schweifen.«
     
    Covenant vermochte nicht hinzuhören. Sich selbst nicht verloren. Nein. Bis zum Ende, als sie den Tod fanden. Auch er entsann sich an Lieder. Nun sind wir Entwurzelte, ohne Wurzeln, Sprößlinge, Anverwandte. Er packte seine Leidenschaft sozusagen mit beiden Händen, um sie zu bändigen, sie noch für eine Weile niederzuhalten, und überquerte den Erker. Unterwegs zwang er sich dazu, einen Blick in einige der Räumlichkeiten und Korridore zu tun, als wäre das gegenüber den Toten seine Pflicht.
    Alles in den Räumen, was aus Stein bestand – Sitzgelegenheiten, Utensilien, Tische –, war noch unbeschädigt vorhanden, wogegen alles, was man einst aus Holz oder Fasern angefertigt hatte, seit langem zerfallen war. Doch sämtliche Flächen waren von Salz bedeckt; Salz lag in Wirbeln und Strudeln am Fußboden; Salz verkrustete in Streifen die Wände; Salzkrusten umrandeten die Bettgestelle; das Salz bildete langsam willkürliche Muster, hübsch wie Eisblumen und destruktiv wie Schuld. Staub und Spinnweben hätten die Verlassenheit Herzeleids nicht passender zum Ausdruck bringen können.
    Angetrieben von seinem inneren Drang wandte sich Covenant wieder zur Stadtmitte. Er stieg eine verwinkelte Treppe hinab, die zunächst in die Richtung der Klippe verlief, dann jedoch zum Meer; die Gefährten folgten ihm. Die Stufen waren für Riesen bemessen worden; er mußte jede einzelne Stufe unbeholfen halb hinunterspringen, und jedesmal, wenn er aufkam, spürte sein Herz den Ruck. Doch die Helligkeit des Tages hatte sich zu trüben begonnen, und er hatte es eilig. Er stieg noch drei Stockwerke tiefer hinab, bevor er nochmals einige Räumlichkeiten von innen anschaute.
    Der erste Eingang, den er nahm, mündete in eine weiträumige Halle, groß genug für Dutzende von Riesen. Die zweite Tür jedoch, ein Stück weiter an der Vorderseite der Stadt gelegen, war geschlossen. Sie mußte schon sehr lange verschlossen sein; sämtliche Spalten zwischen Tür und Türrahmen sowie die Angeln und Scharniere waren vom Salz versiegelt und zugekrustet. Covenants Instinkte waren seinem Verstand voraus. »Macht diese Tür auf«, schnauzte er Brinn aus Beweggründen an, die er nicht zu erläutern imstande gewesen wäre. »Ich will sehen, was dahinter ist.«
    Brinn machte sich daran, die Anweisung zu befolgen; doch das Salz verhinderte, daß er einen Ansatzpunkt fand. Sofort gesellte sich Seeträumer zu ihm, kratzte das verbackene Salz fort, als könne er verschlossene Türen und Geheimnisse nicht erdulden. Gleich darauf konnten Brinn und er an den steinernen Kanten mit ihren Fingern Halt ertasten. Plötzlich zerrten sie die Tür mit einem heftigen, unvermittelten Ruck auf. Aus der Türöffnung drang Luft, die so lange eingeschlossen gewesen war, daß sie keine Spur von Moder oder Verderbtheit mehr enthielt. Dahinter befand sich ein Wohnraum. Einen Moment lang ließ sich in der Düsternis, die darin herrschte, nichts erkennen. Doch indem Covenants Augen sich ihr anpaßten, erspähte er eine dunkle Gestalt, die aufrecht und steif in einem steinernen Lehnstuhl am Kamin saß. Einen Riesen, mumifiziert durch trockene Luft, Zeit und die unaufdringliche Wirkung des Salzes. Seine Hände umklammerten die Armlehnen des Stuhls, bezeugten für immer seinen Todeskampf. Zwischen seinen Fingern staken noch Splitter alten Steins. Oberhalb seiner leeren Augenhöhlen fehlte die Stirn; die ganze Schädeldecke fehlte. Der

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