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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Sie nach vorn. Stellen Sie fest, was sich abspielt, auf was es ankommt. Was für Sie von Bedeutung ist.« Aus eigener Erfahrung wußte er, daß es keinen anderen Schutz gegen den Wahnsinn gab; Realität und Unwirklichkeit des Landes ließen sich nicht miteinander versöhnen. »Geben Sie sich eine Chance, einmal herauszufinden, wer Sie sind.«
    »Ich weiß, wer ich bin.« Lindens Kiefer drückte Verstocktheit aus. Die Umrisse ihrer Nase wirkten plötzlich weniger zart und entschieden kantiger; ihr Mund spiegelte gewohnheitsmäßige Strenge wider. »Ich bin Ärztin.« Aber sie stand vor etwas, mit dem sie nicht fertig zu werden wußte. »Ich habe nicht einmal meine Arzttasche dabei.« Sie schaute ihre Hände an, als frage sie sich, wozu sie überhaupt gut seien. Als sie Covenants Blick erwiderte, war ihrer Frage sowohl Forderung wie auch Bittstellung anzumerken. »Und was glauben Sie?«
    »Ich glaube ...« – Covenant verzichtete nun auf jede Anstrengung, seine Härte zu verbergen – »daß wir einen Weg finden müssen, um Fouls Pläne zu vereiteln. Das ist wichtiger als alles andere. Er ist drauf aus, das Land zu vernichten. Ich werde das nicht zulassen. Das ist es, was ich bin.«
    Bei seiner Zusicherung starrte Linden ihn aufmerksam an. »Warum? Was hat das mit Ihnen zu schaffen? Wenn dies bloß ein Traum ist, bleibt das alles doch völlig bedeutungslos. Und wenn es ...« Das Weiterreden bereitete ihr Schwierigkeiten. »Wenn's real sein sollte, muß 's trotzdem nicht Ihr Problem sein. Sie brauchen sich nicht darum zu kümmern.«
    Covenants Gaumen kostete alten Grimm. »Foul verlacht Leprotiker.«
    Da glomm in Lindens Augen ein Funke von Verständnis auf. Niemand hat das Recht, Kranke zu verlachen, sagte ihre finstere Miene mit aller Deutlichkeit. »Was machen wir nun?« fragte sie mit gepreßter Stimme nach.
    »Jetzt?« Covenant war aus Ermüdung schwach; aber Lindens Frage schreckte ihn auf. Sie verfügte über Verstand, Kräfte, Potential. Offenbar hatte der Alte sie nicht ohne Grund ausgesucht. »Jetzt steigen wir hinunter, falls es mir gelingt, mein Schwindelgefühl zu überwinden«, entgegnete er voller Grimm, »und sehen zu, daß wir in Erfahrung bringen, in welchem Schlamassel wir stecken.«
    »Hinunter?« Linden blinzelte ihn an. »Ich weiß nicht einmal, wie wir hinaufgekommen sind.«
    Statt einer Antwort nickte er nur hinüber zu den Bergen. Als Linden sich umwandte, sah sie in der Richtung der Klippe die Lücke in der Brüstung. Covenant beobachtete, wie sie zu der Lücke kroch und das erblickte, von dem er längst wußte, es war vorhanden. Der Ausguck krönte die Spitze eines langen steinernen Vorsprungs, der sich unterhalb der Plattform zur Klippe hin abschrägte. In der Oberseite des Vorsprungs waren rohe Stufen gehauen. Covenant gesellte sich zu Linden. Ein einziger Blick zeigte ihm, daß es ihm auch diesmal nicht leichtfallen würde, seine Höhenangst zu meistern. Achtzig Meter unter ihm verschwand die Treppe zwischen den Wolken wie ein Wasserfall im Trüben.

5
     

Donner und Blitz
     
     
    »Ich gehe voran.« Tief drin in den Knochen bebte Covenant. Er vermied es, Linden anzusehen. »Die Treppe führt zu der Felswand – aber wenn man stürzt, geht's tausend Meter oder so abwärts. Ich komme in Höhen nicht gut zurecht. Falls ich ausrutsche, will ich Sie nicht mit hinabreißen.«
    Bedächtig setzte er sich in die Lücke der Einfassung, die Füße nach vorn, um sich hindurchzuschieben. So verharrte er erst einmal, bemühte sich, das Schwindelgefühl zu verdrängen, indem er sich einer VBG unterzog. Doch diese Maßnahme rief in ihm lediglich die für Lepraleidende typische Besorgtheit hervor. Unter der bläulich verfärbten Sonne besaß seine Haut eine düstere blaurote Tönung, als habe die Lepra sich unterdessen in seine Arme emporgefressen, beeinflusse die Färbung der Haut, töte die Nerven ab. Plötzliche Entkräftung befiel seine Muskeln, brachte seine Schultern ins Zittern. Die charakteristische Taubheit seiner abgestorbenen Nerven hatte sich nicht verändert, war weder besser noch schlimmer geworden. Aber die kränkliche Verfärbung seines Fleischs wirkte fatal und irgendwie prophetisch; er empfand sie als eine unverhoffte Eingebung. Eine der Fragen, die ihn beschäftigten, beantwortete sich von selbst. Warum war Linden hier? Weshalb hatte der Alte, statt mit ihm, mit ihr gesprochen? Weil ihre Anwesenheit notwendig war – um das Land zu retten, falls er, Covenant, daran scheiterte. Die

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