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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ein Heilsbringer behandelt zu werden; mit einem solchen Bild von sich vermochte er nicht zu leben. Er rappelte sich auf, packte dann den Greis an den Armen und zog ihn hoch, bis er wieder auf den Beinen stand. Der Mann verdrehte voller Furcht die Augen, die im Feuerschein schimmerten. Um ihn zu beruhigen, sprach Covenant in gleichmäßigem, sachlichem Tonfall. »Sag mir, wie du heißt.«
    »Ich bin Nassic, Sohn des Jous, Prassans Sohn«, gab der Alte mit unsicherer Stimme Auskunft. »Sohn um Sohn stammen wir in ununterbrochener Nachkommenschaft vom Freischüler ab.«
    Covenant fuhr zusammen. Die Freischüler, die er gekannt hatte, waren Einsiedler gewesen, aller herkömmlichen Verantwortung ledig, so daß sie nichts anderem nachgingen als ihren ureigensten Visionen. Ein Freischüler hatte ihm einmal das Leben gerettet – und dabei selbst den Tod gefunden. Ein anderer hatte seine Träume gedeutet – und ihm mitgeteilt, er träume die Wahrheit. Covenant rang angestrengt um Fassung. »Welchem Freischüler? Was war seine Berufung?«
    »Er sah deine Rückkehr voraus, Ur-Lord. Deshalb suchte er diese Stätte auf – dies Tal unterm Kevinsblick, der seinen Namen in so ferner Vergangenheit erhielt, daß niemand mehr seine Bedeutung kennt.« Für eine Weile sprach Nassic mit einer gewissen Festigkeit der Stimme, als sage er etwas auf, das er vor langem gründlich auswendig gelernt hatte. »Er erbaute das Heiligtum als Ort des Willkommens für dich und als Tempel des Heilens, denn in jenen Jahren war unter den Menschen noch nicht vergessen, daß deine Welt voller Gefahren und Prüfungen ist und nicht einmal ihren Helden Beschwernisse erspart. Er sah in seinem Gesicht das arge Verhängnis des Sonnenübels voraus, wenngleich es ihm so unfaßbar blieb wie ein Alptraum, und er sah, daß der Zweifler, Ur-Lord Übelender, Bewahrer des Lebens, wiederkehren würde, um dagegen zu streiten. Von Sohn zu Sohn überlieferte man sein Gesicht weiter, vertraute auf ...« Da befiel ihn von neuem Jammer. »Ach, welche Schmach«, klagte er dumpf. »Heiligtum ... Glaube ... Heilkunde ... Land ... alles dahin.« Dann jedoch richtete so etwas wie Empörung ihn wieder auf. »Allein Narren flehen um Gnade. Sie verdienen Strafe. Denn sieh! Der Zweifler ist gekommen. Möge die Sonnengefolgschaft mitsamt all ihren Werken heulen und um Schonung winseln! Möge die Sonne selbst in ihrer Bahn wanken! Es wird nichts nutzen. Weh euch, ihr Verderbten und Mißratenen! Der ...«
    »Nassic!« Covenant nötigte den Alten, mit seinem Sermon aufzuhören. Linden beobachtete sie mit höchster Wachsamkeit. In ihrem Gesicht standen zahllose Fragen geschrieben; doch Covenant achtete nicht darauf. »Nassic«, fragte er ins bleiche, stiere Angesicht des Alten, »was ist das Sonnenübel?«
    »Das Sonnenübel?« Vor lauter Staunen verlor Nassic alle Furcht. »Du fragst ...? Wie sollte es sein, daß du nicht ...?« Seine Hände zupften am Bart. »Warum sonst bist du gekommen?«
    Covenant verstärkte den Griff, in dem er den Alten hielt. »Sag mir, was es ist.«
    »Es ist ... nun, es ist ... ja, es ...« Nassics Gestammel verstummte, dann schrie er unvermittelt jämmerlich auf. »Ur-Lord, was ist es nicht? Es ist Sonne und Regen, Blut und Ödnis, Furcht und das Klagen der Bäume.« Erneut wand er sich vor tiefempfundener Erniedrigung. »Es war ... das Feuer meiner Fackel. Ur-Lord!« Elend zog sein Gesicht zusammen wie eine Faust. Er wollte von neuem auf die Knie fallen.
    »Nassic.« Covenant hielt ihn aufrecht, suchte insgeheim nach irgendeiner Möglichkeit, wie sich der Alte beruhigen ließe. »Wir haben nicht vor, dir irgendwas zu tun. Geht das nicht in deinen Kopf?« Da kam Covenant plötzlich etwas anderes in den Sinn. Er erinnerte sich an Lindens Kopfverletzung, die eigenen Prellungen. »Deine Hand blutet noch immer«, sagte er zu Nassic. »Wir beide sind auch verletzt worden. Und ich ...« Fast hätte er eingestanden: Ich kann nicht sehen, was sie sieht. Aber das Bekenntnis blieb ihm im Hals stecken. »Ich bin lange nicht im Land gewesen. Hast du Heilerde?«
    Heilerde? fragte Lindens Miene.
    »Heilerde?« wiederholte Nassic. »Was ist Heilerde?«
    Was ist ...? Trübsal zerfurchte Covenants Gesichtszüge. Was ...? Gezeter schäumte in ihm auf, als erschöllen Schreie der Not. Heilerde! Erdkraft! Leben! »Heilerde«, raunzte er roh. »Die Lehmerde, die Heilkraft besitzt.« Sein Zugriff schüttelte Nassics gebrechliche Gestalt gehörig durch.
    »Vergib mir, Ur-Lord.

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