Das verwundete Land - Covenant 04
kurzes Weilchen auf dem kalten Stein, auf dem er bäuchlings lag, dann wälzte er sich herum und kämpfte sich in eine Sitzhaltung empor. Die Fesseln erschwerten all seine Bewegungen; eine Woge von Benommenheit suchte ihn heim. »Freunde«, nuschelte er. Doch die Luft klärte ihm den Kopf rasch. »Nassic hatte völlig recht.«
»Nassic hatte recht«, wiederholte Linden, als ob Worte sie nicht im mindesten interessierten.
Sie befanden sich in einem Raum, der sich durch die Enge einer Zelle auszeichnete. Ein schwerer Vorhang verhüllte den Zugang; doch auf der anderen Seite drang durch ein vergittertes Fenster das fahle Grau der Morgendämmerung herein, des späten Dämmerns eines durch die Berge verzögerten Sonnenaufgangs. Die Gitterstäbe des Fensters waren aus Eisen. Linden saß Covenant gegenüber, die Arme auf dem Rücken; auch ihre Hände waren gefesselt. Immerhin war es ihr trotzdem gelungen, sich das Gesicht weitgehend von dem Matsch zu säubern. Klumpen davon klebten auf den Schultern ihres Hemdes. Covenants Gesicht trug die getrocknete Maische wie die Gefühllosigkeit der Lepra. Er setzte sich so zurecht, daß es ihm möglich war, sich an die Wand zu lehnen. Die Fesseln schnitten in seine Handgelenke. Er schloß die Augen. Eine Falle , stellte er bei sich fest. Nassics Ermordung war eine Falle. Der Alte war umgebracht worden, damit er, Covenant, und Linden den Wachen Steinhausen Mithils in die Arme liefen, man sie gefangennahm. Was hat Foul vor? fragte Covenant in die Dunkelheit unter seinen Lidern. Uns zum Kampf gegen diese Leute anzustiften?
»Warum haben Sie das getan?« fragte auf einmal Linden. Ihre Stimme klang gleichmäßig, als hätte sie ihr bereits alle Emotionen ausgetrieben. »Warum haben Sie mir von dem Mädchen erzählt?«
Ruckartig öffnete Covenant die Augen, um Linden anzusehen. Im trüben Zwielicht war es jedoch unmöglich, ihre Miene zu erkennen. Lassen Sie's gut sein , hätte er am liebsten gesagt. Wir haben jetzt andere Sorgen. Doch sie hatte ein absolutes Recht darauf, über ihn die Wahrheit zu wissen. »Weil ich mit Ihnen ehrlich sein wollte.« Ihm krampften sich bei der Erinnerung die Eingeweide zusammen. »All das, was ich hier während meiner früheren Aufenthalte getan habe, hat Einfluß auf das, was jetzt geschehen wird. Foul vergißt nicht. Und ich habe befürchtet ...« Seine Stimme versagte ihm den Dienst, als wäre ihr der Preis seiner Offenheit zu hoch. »... Sie könnten mir womöglich Vertrauen schenken, ohne zu ahnen, wem Sie trauen. Ich wollte Sie nicht betrügen ... indem ich dulde, daß Sie mich anders sehen, als ich bin.« Linden antwortete nicht. Ihre Augen waren Schatten, die ihm nichts verrieten. Auf einmal begann seine unverminderte Bitterkeit Worte aus ihm hervorzuquetschen, als wären sie versehentlich geschluckte Haken. »Nachdem meine Leprose diagnostiziert worden war und Joan mich verlassen hatte, war ich jahrelang impotent. Dann gelangte ich ins Land. Es geschah etwas, das ich nicht begreifen konnte. Das Land heilte bei mir Teile, die schon so lange wie tot gewesen waren, daß ich sie vergessen hatte. Und Lena ...« Der Gedanke an sie brannte wie Säure. »Sie war so schön, daß ich davon noch heute Alpträume bekomme. Die erste Nacht im Land ... Es war zuviel für mich. Leprotiker sind eigentlich nicht potent.« Er gab Linden keine Gelegenheit zu einer Äußerung; er sprach weiter, als erlebe er seine einstige Selbstverurteilung noch einmal. »Alle Beteiligten haben darunter leiden müssen. Ich konnte den Konsequenzen nicht entgehen. Ihre Mutter ging schließlich in so etwas wie einen Freitod. Das Leben ihres Vaters verlief unglücklich. Der Mann, der sie heiraten wollte, verlor alles. Sie selbst kam um den Verstand. Aber damit war ich noch lange nicht fertig. Später habe ich ihren Tod verschuldet, und ebenso den Tod ihrer Tochter Elena ... meiner Tochter. Weil ich immerzu versucht habe, mich vor den Konsequenzen zu drücken. Alle weigerten sich, mich zu bestrafen. Ich war halt der wiedergeborene Berek. Man wollte, daß ich das Land rette. Lena ...« O Lena! »Sie fand den Tod, indem sie mir das Leben rettete.«
Linden hatte reglos zugehört. Sie wirkte vor der Wand wie eine Statue aus Stein, ungerührt und ohne Vergebung, als könnten bloße Schuldbekenntnisse sie nicht beeindrucken. Doch sie preßte ihre Knie fest und wie zur Abwehr an ihren Brustkorb.
»Sie hätten's mir nicht erzählen sollen«, sagte sie schwerfällig, als Covenant
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