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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Plantagenbesitzer neben einfachen Arbeitern, und natürlich trifft man auch auf den einen oder anderen Gauner.
    An einem der Tische neben dem Orchester sitzt ein korpulenter Mann um die fünfzig vor seiner leeren Cognacflasche und betrachtet diese mit einem Ausdruck trunkener Verwunderung. Er ist mit einer Hose und einem Hemd von bestem Schnitt bekleidet. Man errät unschwer, daß er sehr wohlhabend sein muß, zumal er seine Zeche soeben mit einem dicken Geldschein bezahlt und dem Kellner ein königliches Trinkgeld gegeben hat.
    Der Mann schüttelt die Flasche und versucht vergeblich, noch ein paar Tropfen in seinen Cognacschwenker fallen zu lassen. Schließlich stößt er einen Fluch aus und steuert schwankend auf den Ausgang zu.
    Das Orchester spielt gerade eine heiße Samba, und niemand bemerkt, daß sein Tischgenosse sich ebenfalls erhebt und ihm auf dem Fuße folgt. Dieser ist ein kräftig gebauter junger Bursche von fünfundzwanzig Jahren und trägt, im Gegensatz zu dem Mann, an dessen Fersen er sich jetzt heftet, ziemlich schäbige Kleidung.
    Nach außen hin wirkt sein Gebahren eher lässig, doch in seinem Inneren ficht er gerade einen heftigen Kampf mit sich selbst aus.
    >Felipe<, sagt er zu sieh, >nimm deinen ganzen Mut zusammen! Natürlich hast du dich bis jetzt nur mit kleinen Gaunereien begnügt. Vor allem hast du niemals Gewalt angewendet, nicht wahr, das war dein oberster Grundsatz! Aber andererseits kannst du eine solche Gelegenheit nicht einfach verstreichen lassen! Dieser Typ da vorn ist sternhagelvoll, denn er hat sich ganz allein eine Flasche Cognac hinter die Binde gekippt. In dem Zustand brauchst du ihm nur einen kleinen Schlag auf den Schädel zu verpassen, und den Rest besorgt der Alkohol. Das ist doch nicht so schlimm, nicht wahr, und ich wette, daß er sich morgen an nichts erinnern wird!<
    Der reiche Trunkenbold bewegt sich mit schwankendem Schritt vorwärts und nimmt Kurs auf die nahegelegenen Felder. Mit schwerer Zunge trällert er eine der Melodien, die das Orchester in der Taverne gespielt hatte. Jetzt gibt es keine Zeit zu verlieren!
    Der junge Mann spricht sich ein letztes Mal Mut zu: >In dem Schuppen da drüben nehme ich mir einen Ziegelstein... und dann geht’s los!<
    Mit ein paar Sätzen hat er den Mann eingeholt, hebt den Ziegelstein und versetzt ihm damit einen kurzen Schlag. Der andere stößt einen überraschten kleinen Schrei aus und fällt kopfüber nach vorn. Der Weg, auf dem sie sich befinden, ist menschenleer, und niemand hat sie bis jetzt gesehen.
    Felipe muß sich beeilen. Rasch durchsucht er die Taschen seines Opfers. Er nimmt dessen Geldbörse an sich und steckt auch die Zigarren ein, die der Mann bei sich trägt. Solche feinen Havannas zu rauchen ist ein Vergnügen, das er sich seit langem nicht mehr geleistet hat...
    Der junge Mann entfernt sich so schnell er kann. Er bleibt erst nach einigen Minuten schnellen Laufes stehen, als er sich in Sicherheit glaubt. Er befindet sich jetzt vor einem Bewässerungsgraben, der quer durch eine Zuckerrohrplantage verläuft.
    >Endlich ein wenig Frische!< denkt er erleichtert. Felipe läßt sich am Rand des Grabens nieder und untersucht seine Beute. Die Geldbörse seines Opfers ist weniger gut bestückt, als er gehofft hatte, aber immerhin sind siebenhundert Cruzeiros darin, und das ist schon eine stattliche Summe! Er wird einen ganzen Monat nicht arbeiten müssen. Das war wirklich ein erfolgreicher Abend, und daher sollte er ihn in gebührender Weise beenden!
    Der junge Mann holt eine der Zigarren hervor, zündet sie an und nimmt genüßlich einen langen Zug daraus. Genau in diesem Moment geschieht das Unglaubliche: Felipe sieht plötzlich eine Art Blitz vor Augen und verspürt gleichzeitig einen heftigen Schmerz am Hinterkopf. Er stößt einen überraschten kleinen Schrei aus und fällt um...
    Als er erwacht, steht die Sonne schon hoch am Himmel. Es ist sehr heiß und dürfte auf zwölf Uhr mittags zugehen. In seinem Kopf wirbelt alles derart durcheinander, daß er zunächst nicht einmal mehr weiß, wer er ist. Erst allmählich kehrt die Erinnerung an seine Identität zurück... da Silva, ja, genau so heißt er, Felipe da Silva. Aber was macht er hier mitten in einer Zuckerrohrplantage am Rande eines Bewässerungsgrabens?
    >Wie bin ich nur hierhergekommen und vor allem warum?< fragt er sich.
    Er versucht erneut, sich zu erinnern, aber eine schreckliche Migräne hindert ihn an jeder weiteren Denkanstrengung. Langsam fährt er mit

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