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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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auch vor Gewaltanwendung nicht mehr zurückgeschreckt war, wie in jener Februarnacht im Jahr 1951, ging immer etwas schief.
    Felipe da Silva wird nach Brasilien ausgeliefert und in Escada zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Bis dahin ist seine Geschichte eher banal gewesen. Schließlich sind Elend und Kriminalität im Nordosten von Brasilien alltägliche Realitäten. Von diesem Moment an jedoch gewinnt die Geschichte eine höchst ungewöhnliche Dimension...
     
    Sechs Jahre... Das wiederholt da Silva innerlich immer wieder, als er erstmals seine Zelle im Gefängnis von Arecife betritt, der Hauptstadt der Provinz. Er trifft dort auf einen Mitgefangenen, der ungefähr sein Alter hat. Felipe wirft ihm lediglich einen kurzen Blick zu und läßt sich seufzend auf dem Strohlager nieder.
    Sein Zellengenosse gesellt sich zu ihm und sagt: »Hallo. Ich heiße José Simao, und du?«
    Felipe nennt ihm seinen Namen. Der andere klopft ihm auf die Schulter und meint: »Komm schon, mach nicht so ein Gesicht! Natürlich ist es anfangs schwer, aber man gewöhnt sich daran, du wirst sehen! Zu wieviel haben sie dich verdonnert?«
    »Zu sechs Jahren.«
    »Mich zu fünfzehn, wegen Totschlags. Drei Jahre habe ich schon abgesessen, bleiben also noch zwölf. Das ist doppelt so lange wie deine Strafe! Sag, woher stammst du?«
    Mit schwacher Stimme erwidert Felipe: »Aus Escada.«
    Das Gesicht seines Gefährten hellt sich auf.
    »Das kann doch nicht wahr sein! Ich auch! Aus welchem Viertel?«
    »Von den Hügeln.«
    Jetzt gerät José Simao vollends aus dem Häuschen.
    »Ich stamme ebenfalls von den Hügeln!«
    Minutenlang zählen sie nun gegenseitig ihre gemeinsamen Freunde und Bekannten auf. Obwohl sie sich nie begegnet sind, haben sie ganz nahe beieinander gelebt, ohne es zu wissen. Mit einem Schlag ist Felipes Trübsal vergangen. Jemanden aus seinem Viertel zu treffen, ist wirklich ein völlig unerwarteter Glücksfall! Doch nachdem die erste Euphorie verflogen ist, erkundigt er sich, was José Simao in diese Zelle gebracht hat.
    »Du bist hier wegen Totschlags, hast du gesagt? Wie ist das passiert?«
    Seufzend schüttelt José den Kopf.
    »Sprich bloß nicht davon! Ich habe einen Burschen niedergeschlagen, um seine Taschen auszurauben. Dabei habe ich offenbar zu viel Gewalt angewendet.«
    Felipe da Silva verzieht das Gesicht. Das alles ruft bei ihm unangenehme Erinnerungen hervor.
    Sein Zellengenosse fährt mit seiner Schilderung fort: »Ich kam aus Enriques Taverne. An dem Abend hatte ich etwas zu viel getrunken. Das hätte ich besser nicht getan, dann hätte ich nicht so fest zugeschlagen. He, Felipe, was machst du für ein Gesicht? Fühlst du dich nicht wohl?«
    Felipe da Silva ist die Kehle wie zugeschnürt. Er macht eine Handbewegung.
    »Doch, doch, erzähl nur weiter. Was geschah danach?«
    Ein wenig verwundert über den Ton seines Kameraden berichtet José: »Es war im Februar 1951, am 18., wenn ich mich recht erinnere. Als ich aus der Taverne kam, sah ich zwei Typen vorbeigehen. Derjenige, der vorausging, schien vollkommen betrunken zu sein. Warum ich den beiden folgte, weiß ich selbst nicht so genau. Und dann hat der andere den ersten plötzlich überfallen, niedergeschlagen und ausgeraubt. Daraufhin bin ich meinerseits dem Burschen gefolgt und habe mit ihm dasselbe gemacht... Dummerweise haben sie mich gleich anschließend geschnappt. Zu allem Unglück erfuhr ich hinterher, daß ich den Burschen getötet hatte. Die Zeugen, die ihn dort entdeckt hatten, behaupteten jedenfalls, er sei tot gewesen. Allerdings haben die Gendarmen seinen Leichnam nicht gefunden, als sie an der Stelle eintrafen. Sie haben daraus gefolgert, daß er in den Graben gefallen sein mußte. Und mich haben sie gleich zu fünfzehn Jahren verknackt, wegen Totschlags!«
    José Simao begreift nicht, weshalb Felipe plötzlich in lautes Gelächter ausbricht.
    »Du warst das also! Aber das macht nichts, ich bin dir deswegen nicht böse. Du bist gerettet, José, verstehst du? Gerettet!«
     
    Ein paar Tage später sitzt Felipe da Silva dem Polizeikommissar von Escada im Büro des Gefängnisdirektors gegenüber.
    »Ich habe Ihren Brief erhalten, da Silva, und ich verhöre Sie nochmals in der Sache, weil das meine Pflicht ist. Aber unter uns gesagt, glaube ich nicht ein Wort von Ihrer Geschichte. Sie begegnen in der Zelle einem alten Freund. Er erzählt Ihnen, daß er wegen Totschlags sitzt und daß man die Leiche nie gefunden hat. Daraufhin schlagen Sie ihm vor zu

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