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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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behaupten, Sie wären das Opfer von damals gewesen!«
    Der Kommissar betrachtet ihn ohne jede Nachsicht.
    »Es ist ganz normal, daß ein Gauner dem anderen hilft. Ich habe gute Lust, Sie wegen falscher Zeugenaussage zu belangen!«
    Da Silva erbleicht. Er war voller Freude gewesen, das an José Simao begangene Unrecht wiedergutmachen zu können. Keinen Moment lang hatte er sich vorgestellt, man würde ihm womöglich nicht glauben.
    Ungerührt fährt der Kommissar fort: »Ich erwarte einen Beweis von Ihnen, da Silva! Und es nützt nichts, wenn Sie mir Details über den Tathergang erzählen, denn selbstverständlich hat Ihr Kamerad Sie über alles genau in Kenntnis gesetzt!«
    Felipe ist ratlos. Mit einer unwillkürlichen Handbewegung fährt er sich über den Hinterkopf, und plötzlich hellt sich sein Gesicht auf. Da ist er, der gewünschte Beweis! Es hatte damals Wochen gedauert, bis die Wunde verheilt war, die José ihm zugefügt hatte.
    »Hier ist der Beweis, Herr Kommissar! Sie können ihn sogar berühren!«
    Und er zeigt dem Beamten seinen Hinterkopf.
    Diesmal ist es der Kommissar, der aus der Fassung gerät. Er hat nicht vergessen, daß der Fall Simao damals einiges Aufsehen erregt hatte. Dessen Verteidiger argumentierten, man könne niemanden wegen Totschlags verurteilen, wenn es keine Leiche gäbe. Und der Schuldspruch war teilweise heftig kritisiert worden.
     
    Mehrere Röntgenaufnahmen wurden von Felipes Schädel gemacht. Die Ärzte kamen zu einem eindeutigen Ergebnis. Die Beule an seinem Hinterkopf war mit größter Wahrscheinlichkeit von einem Schlag mit dem Schraubenschlüssel verursacht worden — der von José Simao verwendeten Waffe — und zwar vor drei Jahren...
    Natürlich war das kein offizieller Beweis, doch in dem wiederaufgenommen Prozeß befanden die neuen Richter, man müsse im Zweifel für den Angeklagten entscheiden. Sie ordneten daher die sofortige Freilassung von José Simao an. Dessen Fall gilt seitdem in den Archiven der Polizei als höchst ungewöhnlich: Denn wann wird schon ein angeblicher Totschläger ausgerechnet von seinem Opfer gerettet!
     

Der Garten der Träume
    In aller Ruhe sitzt das Ehepaar Fitzgerald beisammen und trinkt die letzte Tasse Tee dieses Tages. Mit seinen fünfunddreißig Jahren ist Mister Fitzgerald bereits das, was man als »arriviert« bezeichnet, denn er gehört zu den Führungskräften einer großen Automobilfirma. Vor drei Monaten haben er und seine Frau sich in der Stadt Portsmouth an der englischen Küste niedergelassen, wo sie ein sehr hübsches Häuschen bewohnen.
    Es ist zehn Uhr abends, und man schreibt den 15. Oktober des Jahres 1975. Zerstreut verfolgt das Ehepaar Fitzgerald vor dem Schlafengehen das Fernsehprogramm, als ein Geräusch in ihrem Rücken sie aufschrecken läßt.
    Sie drehen sich um und sehen, wie ihre siebenjährige Tochter Alice im Nachthemd die Treppe hinunterkommt. Mrs. Fitzgerald steht auf und geht auf sie zu.
    »Was ist los, Alice? Warum schläfst du noch nicht? Es ist schon spät.«
    Doch das Kind reagiert nicht und steigt weiter die Stufen hinunter. Die Mutter wird ein wenig ungeduldig.
    »So antworte doch, Alice! Hast du Durst? Oder willst du...?« Sie hält unvermittelt im Satz inne und gibt ihrem Mann ein Zeichen. Jäh beunruhigt steht dieser ebenfalls auf. Das Kind ist jetzt am unteren Treppenabsatz angelangt und steuert auf die Küche zu. Mr. Fitzgerald stellt sich vor die Kleine hin und bemerkt, daß ihre Augen zwar weit geöffnet sind, ihr Blick hingegen seltsam leer wirkt. Sie scheint nichts zu sehen. Auch ihr Gang ist nicht wie sonst. Sie bewegt sich wie ein Automat.
    Kein Zweifel, sie schläft, genauer gesagt, sie schlafwandelt.
    Alice geht durch die Küche, öffnet die Tür und tritt in den Garten hinaus. Die Eltern folgen ihr, ohne recht zu wissen, wie sie sich verhalten sollen.
    Sie sehen, wie sie den Rasen überquert — er ist perfekt gepflegt wie alle englischen Rasenanlagen —, wie sie sich mit absoluter Sicherheit zwischen den Bäumen hindurchbewegt und am Ende des Gartens stehenbleibt. Dort befindet sich der Sandkasten, den ihr Vater ihr gebaut hat, damit sie mit Eimer und Schaufel spielen kann.
    Ein, zwei Minuten verstreichen. Der Garten ist dunkel und still und die Oktobernacht schon recht kalt. Schließlich faßt sich Mrs. Fitzgerald ein Herz. Sie ergreift sacht die Hand ihrer Tochter und murmelt: »Komm, Alice. Wir müssen wieder hineingehen.«
    Fügsam läßt sich das Kind nach oben in sein Zimmer

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