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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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der Hand über seinen Hinterkopf. Dort ertastet er eine breite Wunde und seine blutverklebten Haare. Erst jetzt fällt ihm nach und nach alles wieder ein.
    »Nein, das ist doch nicht möglich!« sagt er mit lauter Stimme. »Man hat dasselbe mit mir gemacht!«
    Fieberhaft steckt er die Hand in die Tasche. Es ist tatsächlich wahr! Das Geld ist ebenso verschwunden wie die Havannazigarren!
    Langsam begreift der unglückselige da Silva, welches Malheur ihm widerfahren ist. Ein anderer Dieb ist hinter ihm hergeschlichen, hat gewartet, bis er die Taschen des Betrunkenen geleert hatte, und dann hat er ihm seinerseits einen Schlag auf den Kopf verpaßt! Dieser Dritte ist nun im Besitz des Geldes und der Zigarren.
    Mit schmerzendem Brummschädel steht Felipe auf. Er lächelt bitter vor sich hin und murmelt: »Wenn man bedenkt, daß ich den Burschen deswegen nicht einmal anzeigen kann!«
    Nein, natürlich kann er keine Anzeige erstatten. Aber der Bestohlene hat es inzwischen sicher getan, und wenn man ihn hier findet, würde er seine Anwesenheit wohl kaum glaubhaft erklären können.
    Unsicheren Schrittes geht er den Weg zurück, den er nachts eingeschlagen hatte, und es bleibt ihm gerade noch Zeit, sich seitwärts in den Büschen zu verstecken, als etwa zehn Meter vor ihm Gendarmen auftauchen. Diese werden von einigen Bauern begleitet, die ihnen offenbar den Weg weisen. Während Felipe im Gebüsch kauert, sieht er die Gruppe dicht an sich vorüberziehen. Einer der Männer deutet jetzt auf die Stelle, die Felipe soeben verlassen hatte.
    »Dort war er!« sagt der Bauer.
    Die kleine Gruppe geht weiter kanalabwärts. Felipe da Silva hält sich nicht mit der Frage auf, ob die Polizei ihm zu Hilfe eilen oder ihn festnehmen wollte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ergreift er die Flucht.
    Diesen Abend wird er lange nicht vergessen. Im Grunde war es ihm eine Lehre! Als er sich zum ersten Mal dazu durchgerungen hatte, Gewalt anzuwenden, wurde es ihm gleich heimgezahlt! Felipe schwört sich, daß damit Schluß ist. In Zukunft wird er sich wieder mit kleineren Diebereien begnügen, die zwar nicht viel einbringen, aber auch kein großes Risiko bedeuten. Und er muß sich sofort wieder etwas einfallen lassen, denn seine Taschen sind vollkommen leer...
     
    Mai 1954. Seit jenem Abend in Enriques Taverne sind drei Jahre vergangen. Doch Felipe denkt nicht mehr daran. Er hat jetzt wichtigere Dinge im Kopf.
    In einigen Stunden wird er in Venezuela sein. Wie es scheint, meint das Schicksal es endlich gut mit ihm. Nach einer Reihe unbedeutender Gaunereien ist ihm jetzt ein großer Coup gelungen.
    Er hatte diese Villa in Escada wochenlang beobachet und die Gewohnheiten ihrer Bewohner minutiös studiert. Dann hatte er in einem Moment zugeschlagen, wo er sicher sein konnte, ungestört zu bleiben.
    Die Ausbeute seiner Bemühung entsprach ganz seinen Erwartungen: fünfzehntausend Cruzeiros, für ihn ein Vermögen! Nie zuvor hatte er so viel Geld besessen. Es wäre daher wirklich zu dumm, wenn er sich ausgerechnet jetzt schnappen lassen würde. Daher wollte er eine Zeitlang untertauchen. Durch Vermittlung eines Freundes hatte er sich einen gefälschten Paß besorgt, und in diesem Moment sitzt er im Flugzeug nach Venezuela.
    Wenige Stunden später landet die Maschine in Caracas. Felipe da Silva reicht dem Polizisten seinen Paß, der auf den Namen Simon Romero ausgestellt ist. Der Beamte händigt ihm die Papiere jedoch nicht gleich wieder aus. Er mustert den Paß eingehend, greift dann zum Telefon und spricht mit leiser Stimme ein paar Worte in den Hörer.
    Felipe muß nicht lange warten. Eine Minute danach ist er von venezolanischen Polizisten umringt. Einer von ihnen erklärt knapp: »Felipe da Silva, gegen Sie liegt ein internationaler Haftbefehl vor.«
    Ohne große Überzeugung versucht Felipe zu protestieren: »Sie irren sich. Ich heiße Romero.«
    Der Beamte legt ihm Handschellen an und erwidert: »Wir werden Ihre Fingerabdrücke überprüfen. Interpol hat uns die Fingerabdrücke von da Silva durchgegeben sowie ein Photo von ihm, das Ihnen übrigens seltsam ähnlich ist. Da Silva hat in Escada einen Raub verübt. Die brasilianische Polizei hat ihn aufgrund der Fingerabdrücke identifizieren können, die er zurückgelassen hat.«
    Felipe antwortet nichts mehr darauf. Er scheint für Verbrechen dieses Kalibers wirklich nicht begabt zu sein. Statt dessen hätte er bei einfachen Ladendiebstählen bleiben sollen! Seitdem er höher hinausgewollt hatte und

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