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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Phantom!«
    »Ich verstehe nicht...«
    »Das ist die Wahrheit, Kommissar: Ich wurde von einem Phantom überfallen!«
    Einen Moment lang schießt dem Beamten ein absurder Gedanke durch den Kopf: Gespenster lassen keine Fingerabdrücke zurück... Doch er gewinnt rasch die Fassung wieder. Ganz bestimmt wird sich am Ende alles aufklären. Wir sind schließlich nicht in Schottland, verdammt nochmal!
    Harvey versucht, die Zweifel des Kommissars zu zerstreuen: »Ich versichere Ihnen, daß ich keineswegs verrückt bin, und daß ich trotz des Überfalls meine fünf Sinne noch voll beisammen habe. Aber ich bin verpflichtet, Ihnen zu erzählen, was geschehen ist. Oder zumindest, was ich gesehen habe. Danach ist es an Ihnen, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.«
    John Harvey richtet sich im Bett auf. Obwohl er sehr mitgenommen wirkt, ist er allem Anschein nach vollkommen klar im Kopf.
    »Es war vorgestern abend. Wie so oft nach einem arbeitsreichen Tag wollte ich im >Schwarzen Schwan< noch ein Glas Bier trinken. Der >Schwarze Schwan< ist ein Pub, in dem ich Stammgast bin. Und genau dort hat die Sache angefangen...«
    »Sie meinen mit dem Phantom?«
    »Ja, mit dem Phantom.«
    Und John Harvey berichtet dem Beamten seine unglaubliche Geschichte: Alles beginnt also am Abend des 13. Oktober gegen zwanzig Uhr. In London herrscht scheußliches Wetter mit dichtem Nebel. John Harvey stößt die Tür des Pubs auf und begibt sich zu seinem gewohnten Tisch. Charles, der Barkeeper, bringt ihm ein Glas dunkles Bier. John Harvey führt es an die Lippen, hält jedoch mitten in der Bewegung inne. Dort hinten, an dem gegenüberliegenden Tisch, direkt unter dem Porträt von König Georg V., sitzt ein Mann und sieht ihn unverwandt an, ja, er starrt geradezu unverschämt zu ihm herüber.
    Harvey versucht, sich zu erinnern, denn er ist sicher, dieses Gesicht schon einmal gesehen zu haben und zwar unter recht unangenehmen Umständen. Und plötzlich weiß er es wieder. Es war vor sechs Monaten. Er sieht die dramatische Szene noch genau vor sich: Der Mann hatte sich an seinen Arm geklammert und gesagt: »Ich flehe Sie an, John, um Gottes willen!«
    Doch er, Harvey, hatte ihm nur ins Gesicht gelacht und erwidert: »Vertrag ist Vertrag! Sie haben bis morgen mittag Zeit, keine Minute länger.«
    Am anderen Tag erfuhr John Harvey dann vom plötzlichen Tod seines ehemaligen Studienkollegen Harry Higgins... Higgins, dem er tausend Pfund geliehen hatte und dem er es abgeschlagen hatte, die Rückzahlungsfrist für diese Schuld zu verlängern.
    Dieser Higgins sitzt ihm jetzt im >Schwazen Schwan< gegenüber, unter dem Porträt von Georg V.....
    John Harvey reagiert auf völlig absurde Weise. Um dieses alptraumhafte Bild nicht länger vor Augen zu haben, entfaltet er ein neben sich liegendes Exemplar der Times und gibt vor zu lesen, so als ob ihn diese dünnen Blätter Papier vor der unheimlichen Erscheinung schützen könnten.
    Darüber vergehen einige Minuten. Schließlich hält er es nicht mehr aus. Vorsichtig läßt er die Zeitung sinken, um gleich darauf einen Seufzer der Erleichterung auszustoßen. Der Tisch gegenüber ist leer. Allmählich gewinnt er wieder seine Fassung. Er hat sich zu schnell ins Bockshorn jagen lassen. Bestimmt handelte es sich lediglich um eine ungewöhnlich ausgeprägte Ähnlichkeit. So etwas soll es anscheinend geben.
    Er ruft den Barkeeper zu sich: »Sagen Sie, Charles, wissen Sie, wer der Herr war, der mir gegenüber gesessen hat?«
    »Welcher Herr, Sir?«
    »Nun, ich meine denjenigen, der die ganze Zeit dort saß und der gerade erst gegangen ist.«
    »Aber da saß niemand, Sir.«
    »Doch, unter dem Porträt des Königs. Sie haben wohl nur längere Zeit nicht in diese Richtung geblickt.«
    »Ich bitte um Verzeihung, Sir. Ich habe vorhin den Tisch abgewischt, während Sie Zeitung lasen, und ich versichere Ihnen, daß niemand dort gesessen hat. Warum fragen Sie? Handelt es sich um etwas Wichtiges?«
    »Nein. Vielen Dank, Charles. Ich möchte jetzt zahlen.«
    In dem Krankenzimmer im Saint-John’s-Hospital hat Kommissar Humblett bis jetzt mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört.
    Der Verwundete hält einen Moment inne und erzählt dann weiter...
    Er verließ also den Pub. Draußen war der Nebel inzwischen noch dichter geworden, und er fühlte sich plötzlich sehr unbehaglich. Zu spät wurde ihm klar, daß die Gefahr draußen viel größer war als drinnen im Pub. Er hätte Charles bitten sollen, ihm ein Taxi zu rufen. Dann hätte

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