Das verwunschene Haus
Abschiedsgesuch ein. Dem wird stattgegeben, und er verläßt die Armee mit allen militärischen Ehren.
Anschließend kehrt er in seine Heimatstadt Raleigh im Staate Tennessee zurück, wo seine Frau auf ihn gewartet hat. In kürzester Zeit gelingt es ihm, in einer Ölgesellschaft eine bedeutende Position einzunehmen. John Levin ist stets begabt gewesen, rasch zu Erfolg zu kommen...
Acht Jahre sind vergangen. Erst jetzt, 1954, werden den deutschen Polizeibehörden von den Amerikanern jene Akten zur Verfügung gestellt, in die sie während der Nachkriegszeit keinen Einblick hatten. Dabei stößt die Polizei auf den unaufgeklärten Fall von Passau.
Als der zuständige Untersuchungsrichter die Akte studiert hat, macht er, was jeder andere Kollege an seiner Stelle ebenfalls gemacht hätte: Angesichts derart erdrückender Beweise verlangt er die sofortige Anhörung des ehemaligen Kommandanten John Levin. Und so gelangt eines Tages das entsprechende Gesuch in das ruhige und friedliche Haus der Levins in Tennessee...
Es ist Mrs. Levin, die den Brief öffnet. Sie fällt aus allen Wolken. Was hat das zu bedeuten? John hat ihr noch nie von dieser Geschichte erzählt. Schließlich stammelt ihr Mann so etwas wie: »Das ist alles Unsinn! Als ich damals Stadtkommandant war, hatte ich viele Neider...«
Levin weigert sich, zu der Anhörung zu erscheinen. Der deutsche Untersuchungsrichter, der über genügend Belastungsmaterial verfügt, beschließt daraufhin, einen internationalen Haftbefehl ausstellen zu lassen.
Der kleine Ort Raleigh hat seine Sensation! John kann seiner Frau gegenüber nicht länger behaupten, dies sei alles Unsinn. Die Lokalpresse greift die Sache auf und bringt sie in großen Schlagzeilen: »Eine hierzulande wohlbekannte Persönlichkeit, John Levin, wird von den Deutschen des Mordes verdächtigt...«
Am 25. September 1954 findet man John Levin tot in seinem Badezimmer auf. Er hat sich eine Kugel in den Kopf geschossen. Obwohl er keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat, kommt seine Tat einem Geständnis gleich.
Das Phantom
Leise betritt Kommissar Patrick Humblett das Krankenzimmer im Londoner Saint-John's-Hospital. Im Jahr 1926 ist dies eines der wenigen Einzelzimmer dort, doch die Polizei hatte darauf bestanden, daß der Patient unbedingt isoliert werden müsse. Es handelt sich hier nämlich um einen besonders merkwürdigen Fall...
Am Vorabend, am 13. Oktober, war der Mann von einem Polizisten gefunden worden. Er hatte in einer Blutlache auf dem Gehsteig einer Straße in Soho gelegen. An die zehn Messerstiche hatten ihn in die Brust, ins Gesicht und in den linken Arm getroffen. Neben ihm hatte man ein feststehendes Messer entdeckt, das jedoch keine Fingerabdrücke aufwies außer seinen eigenen.
Der Mann wurde ins Saint-John’s-Hospital gebracht. Er hatte sehr viel Blut verloren und war sehr schwach, aber sein Zustand war nicht beunruhigend. Zum Glück hatte er seine Papiere bei sich: John Harvey, fünfundvierzig Jahre, Geschäftsmann. Wie erste Erkundigungen ergeben haben, ist Harvey eine sehr angesehene und äußerst wohlhabende Persönlichkeit, was diese Geschehnisse noch unerklärlicher macht.
Das Fehlen fremder Fingerabdrücke auf dem Messer läßt zunächst an einen Selbstmordversuch denken. Doch weshalb sollte sich ein distinguierter Gentleman mit einem Messer mitten auf dem Bürgersteig in die Brust stechen? Und außerdem scheinen ihm die Stiche mit geradezu wütender Gewalttätigkeit beigebracht worden zu sein.
Das Ganze ergibt keinen Sinn, zumindest nicht dem ersten Anschein nach. Aber Kommissar Humblett ist ein sehr besonnener Beamter, der nicht so leicht die Ruhe verliert. Mit Sicherheit kann ihm das Opfer irgendeine Erklärung geben. Er muß ihn also nur befragen, und genau dies hat er jetzt gerade vor.
Humblett nimmt auf einem Stuhl neben dem Bett Platz. Ohne den eleganten Tuchmantel, die Weste und die Melone, die er für gewöhnlich trägt, wirkt John Harvey wie eine sehr durchschnittliche Erscheinung. Er ist ein eher korpulenter Mann mit kräftigen Gesichtszügen und dunkelbraunem Haar. Er ist sehr blaß, und aus seinen Lippen ist jede Farbe gewichen.
»Ich bin Kommissar Humblett von Scotland Yard, Sir. Ich bin hier, um Ihnen einige Fragen zu stellen.«
Der Verletzte nickt kurz.
»Ich werde Ihnen alles erzählen, aber Sie werden mir bestimmt nicht glauben wollen...«
»Und warum nicht, um Gottes willen?«
»Weil es sich um eine Art Gespenst handelt, um ein
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