Das verwunschene Haus
er nur über die Straße zu gehen brauchen. Doch in dieser Suppe sah man nicht einmal zwei Meter weit!
Und unvermittelt trat das ein, was er befürchtet hatte. Eine Gestalt stellte sich ihm in den Weg, und ein lächelndes Gesicht tauchte aus dem Nebel auf.
»Hallo, John. Erinnern Sie sich noch an Ihren alten Kameraden Harry Higgins?«
»Lassen Sie mich vorbei!«
»Aber ja doch, natürlich erinnern Sie sich! Wir waren gute Freunde damals in Eton... Wir waren sogar das, was man Jugendfreunde nennt. Deshalb hätten Sie mir zur Begleichung meiner Schulden wenigstens eine kleine Frist einräumen können!«
John Harvey war dermaßen entsetzt, daß er kein einziges Wort hervorbrachte. Harry Higgins oder vielmehr das Wesen, das sich so nannte, ließ nicht von ihm ab: »Ja, diese Verlängerungsfrist hätten Sie mir wirklich gewähren können, John! Jetzt bin ich tot, wie Sie sehen. Das war nicht sehr nett von Ihnen gewesen...«
»Verschwinden Sie!«
Ein Klicken ertönt, und trotz des Nebels sah man ein Stück Metall aufleuchten.
»Aber das macht nichts, John. Ich werde Ihnen meine Schulden zurückzahlen!«
Noch jetzt in seinem Krankenhausbett steht Harvey der Schrecken im Gesicht geschrieben.
»An das, was danach kam, erinnere ich mich nicht. Ich verlor das Bewußtsein... Und irgendwann fand ich mich hier im Hospital wieder.«
Kommissar Humblett räuspert sich.
»Gut. Wir werden sehen, was wir damit anfangen können. Hatte dieser Harry Higgins Familie?«
»Ja, er hatte Frau und Kinder.«
»Kennen Sie die Adresse?«
»Ich weiß sie nicht auswendig, aber sie steht in meinem Notizbuch.«
»Ich danke Ihnen, Sir. Gute Besserung einstweilen. Und schlagen Sie sich nicht zu sehr mit Gespenstern herum. Warten Sie erst einmal ab, zu welchen Schlüssen Scotland Yard in der Sache gelangt...«
Ein gutbürgerliches Viertel in London. Kommissar Humblett klingelt bei der angegebenen Adresse. Eine schwarzgekleidete Frau öffnet ihm, und er stellt sich höflich vor. Sie scheint über seinen Besuch zugleich überrascht und auch beunruhigt zu sein.
»Was hat das zu bedeuten, Kommissar? Die Polizei hat wegen dem Tod meines Mannes bereits Ermittlungen angestellt. Es war eindeutig Selbstmord.«
Der Beamte nickt zustimmend und folgt der Frau in den Salon. Das erste, was ihm ins Auge fällt, ist ein schwarzumrahmtes Photo auf dem Kaminsims. Es zeigt einen etwa fünfundvierzigjährigen Mann, dessen feingeschnittenes Gesicht dem Besucher entgegenlächelt.
»War dies Ihr Mann?«
»Ja.«
Mrs. Higgins kommt nicht dazu, weiterzusprechen, denn in diesem Moment läutet es an der Tür. Sie geht hin, um zu öffnen. Kurz darauf kehrt sie in Begleitung eines etwa fünfundvierzigjährigen Mannes mit feingeschnittenen Gesichtszügen in den Salon zurück.
Dem Polizeikommissar, der normalerweise über gute Nerven verfügt, bleibt der Mund offen. Der Neuankömmling ist exakt die lebende Ausgabe des Mannes auf dem Photo. Humblett hat das Gefühl, einem Phantom gegenüberzustehen.
Mrs. Higgins kommt auf ihn zu und sagt: »Darf ich vorstellen: Dies ist Jack Higgins, mein Schwager.«
Ein leises Lächeln erscheint auf Humbletts Zügen.
»Ich verstehe... ich verstehe jetzt vollkommen.«
Der Beamte gibt kurz den Bericht von John Harvey wieder und meint schließlich: »Ich muß Ihnen wohl nicht lange erklären, worauf ich hinauswill, Mr. Higgins. Sie haben mich verstanden, nicht wahr?«
»Ich glaube schon...«
»Nun gut, haben Sie für die Nacht des 13. Oktober ein Alibi?«
»Ja, zufällig habe ich eines. Und mehr als zwanzig absolut unzweifelhafte Zeugen können dies bestätigen.«
Kommissar Humblett lächelt ironisch.
»Was Sie nicht sagen!«
»Sie haben mich noch nicht nach meinem Beruf gefragt, Kommissar. Ich bin nämlich Arzt, genauer gesagt Chirurg. An jenem Abend gab es kurz hintereinander zwei Notfälle in meiner Klinik. Ich habe daher den ganzen Abend dort verbracht. Sie können das ohne weiteres überprüfen.«
Der Beamte beginnt zu stammeln: »Ja, aber... wie ist dann...«
»Ich verstehe Ihre Enttäuschung, Kommissar. Es würde vollkommen logisch erscheinen, daß der Zwillingsbruder das Phantom gespielt hat, um den anderen zu rächen. Aber leider werden Sie auf diese Erklärung verzichten müssen.«
»Aber Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß...«
»Daß es sich um ein echtes Phantom gehandelt hat? Nein, ich kann Sie beruhigen, daran glaube ich ebensowenig wie Sie. Und ich denke, daß mir die Schlußpointe der
Weitere Kostenlose Bücher