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Das verwunschene Haus

Das verwunschene Haus

Titel: Das verwunschene Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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zurück.
    »Gaston ist der einzige Mann, den ich jemals geliebt habe! Weshalb hätte ich ihn töten sollen?«
    »Weil er Sie verlassen wollte.«
    »Aber ich habe Ihnen doch erzählt, daß es zwischen uns keinerlei Streit mehr gab, seitdem er zu mir zurückgekehrt war!«
    »Und was war in der Kutsche? Haben Sie sich da etwa nicht gestritten?«
    »Ach, das waren doch nur Worte. Fis war nichts dahinter. Und außerdem: Wie hätte ich es denn anstellen sollen, ihn zu töten und in die Seine zu werfen?«
    Doch der Kommissar meint nur ungeduldig: »Du hast ihn durch einen Komplizen töten lassen! Durch einen von diesen Ganoven, die es zuhauf am Montmartre gibt!«
    »Das ist nicht wahr!«
     
    Vielleicht ist es tatsächlich nicht wahr, aber die Dinge sind nach wie vor auf demselben Stand, als Hortense Lemoine drei Monate später, am 15. Januar 1883, vor Gericht erscheint und des Mordes angeklagt wird. Es ist ein Mord ohne Leichnam, denn Gaston Vacherot ist weder lebend noch tot wiederaufgetaucht.
    Während des Prozesses beteuert Hortense immer wieder ihre Unschuld. Es gibt keinerlei Beweis gegen sie. Sie hatte nicht den geringsten Grund, den einzigen Mann, den sie je geliebt hatte, zu töten, und außerdem wäre sie als schwache Frau ohnehin nicht in der Lage gewesen, einen kräftigen Mann wie diesen zu ermorden und anschließend in die Seine zu befördern.
    All das muß zweifellos in Betracht gezogen werden, doch die Tatsache, daß die junge Frau während der Ermittlungen zweimal gelogen hatte, fällt bei den Geschworenen schwer ins Gewicht. Was das Verbrechen selbst betrifft, so ist es für sie mehr als wahrscheinlich, daß sie innerhalb der zwielichtigen Welt des Montmartre einen Komplizen gehabt hat. Kurz gesagt, die Geschworenen sind von ihrer Schuld überzeugt, da ihr Geliebter sie verlassen wollte, und sie wird zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
    Die Wachen führen Hortense Lemoine, die weiterhin ihre Unschuld beteuert, fort, und bald gerät das geheimnisvolle Verschwinden von Gaston Vacherot in Vergessenheit... zumindest für die nächsten sechs Monate.
    Am 12. Juli 1883 kündigt ein Wachtmeister dem Kommissar Cournet den Besuch eines Herrn an, der in der Affäre Gaston Vacherot etwas aussagen wolle. Der Kommissar empfängt ihn ohne große Erwartungen.
    Mit verlegener Miene betritt der Mann das Büro, und der Beamte muß sich an seinem Schreibtisch festhalten: Das ist nicht etwa irgend jemand, der über Gaston Vacherot eine Aussage machen will, das ist Gaston Vacherot selbst!
    Da es dem Kommissar im Moment die Sprache verschlagen hat, beginnt sein Besucher: »Ich denke, ich bin Ihnen einige Erklärungen schuldig...«
    »Das ist wohl das mindeste, was man sagen kann!« bringt Cournet schließlich hervor.
    Und Gaston Vacherot, der sich in seiner Haut offenbar schrecklich unwohl fühlt, schickt sich an zu erzählen, was geschehen ist: »Nun, sehen Sie, Herr Kommissar, es handelt sich um eine Frauengeschichte, aber es geht weder um meine Ehefrau noch um meine Geliebte, sondern um eine Dritte...«
    Der Kommissar starrt sein Gegenüber fassungslos an. Eine dritte Frau! Nein, wirklich, nicht einmal im Traum wäre er auf diese Idee gekommen!
    Vacheron fährt fort: »Ich hatte Augustine nie etwas vorzuwerfen, Herr Kommissar. Sie war eine mustergültige Ehefrau. Ich glaube nur, daß ich sie nicht wirklich geliebt habe und daß sie mich wiederum etwas zu sehr liebte. Sehr bald schon hatte ich von ihren ewigen Seufzern und ihren sehnsüchtigen Blicken genug. Daraufhin nahm ich die Beziehung zu Hortense wieder auf... Welch verhängnisvoller Irrtum! Nach kurzer Zeit benahm sie sich genauso wie meine Ehefrau. Sie wollte mich ganz für sich haben, und als ich von Trennung sprach, machte sie mir eine fürchterliche Szene.«
    Gaston wischt sich die Stirn.
    »Es war eine unhaltbare Situation, Herr Kommissar. Statt einer hatte ich plötzlich zwei Frauen am Hals. Und da begegnete ich auf einmal Sylvia Mercier. Sie war Journalistin und ein sehr unabhängiger Charakter, jedenfalls überhaupt nicht die Art von Frau, die sich anklammert. Wir mochten uns auf Anhieb sehr. Und dann kam ich auf diese verrückte Idee: Ich wollte beide verlassen, die Ehefrau und die Geliebte, um mit Sylvia fortzugehen. Sylvia war sofort einverstanden. Wir hatten beschlossen, künftig in London zu leben. Am 5. Oktober bin ich dann aus dem Haus gegangen und habe später meine Brieftasche in der Nähe der Seine zurückgelassen.«
    Gaston Vacherots Gesicht

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