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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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größere Mißerfolge gegeben, verbesserte Pläne, Fortschritte und Rückschläge. Aber immer habe ich in meinem Herzen die Hoffnung gehegt, eines Tages würde ich mithelfen können, das Böse, das ich getan habe, wiedergutzumachen.«
    Aus dem Halbdunkel auf der anderen Seite des Zypressenstammes kam ein hartes Auflachen. Martha saß abseits von den anderen in einer Astgabel. »Wie edel von Ihnen, Madame, alle unsere Schuld auf sich zu nehmen. und die Buße ebenso.«
    Die alte Frau antwortete nicht. Sie faßte mit einer Hand an ihren Hals und schob zwei Finger hinter den goldenen Kragen, als wolle sie versuchen, ihn zu lockern. Ihre tiefliegenden Augen glitzerten. Aber wie immer fielen die Tränen nicht.
    Von den Sümpfen stromaufwärts brüllten die Baßstimmen der Deinotherium-Elefanten herüber. Näher an dem Baumversteck begann ein anderes Geschöpf ein klagendes Hu-ah hooo, Hu-ah-hooo zu wiederholen; Fledermäuse schössen zwischen den Palmen dahin, die sich auf dem höhergelegenen Boden drängten. Über dem Stauwasser hatten sich bereits Nebelflecken zusammengeballt und streckten jetzt dem Hauptstrom des Rheins dicker werdende Fühler entgegen.
    »Machen wir, daß wir hier rauskommen!« sagte Felice plötzlich. »Es ist jetzt dunkel genug. Wir müssen auf der anderen Seite des Flusses sein, bevor der Mond sich über jenen Bergen zeigt.«
    »Richtig«, stimmte Claude zu. »Du und Richard, ihr helft Martha hinunter.«
    Er hielt seine Hand Angelique Guderian hin. Zusammen kletterten sie von dem Baum und wanderten auf das Flußufer zu.

4
    Der Schwarzwald der zukünftigen Erde war ein völlig gezähmtes Waldland gewesen. Aus der Feme gesehen erschienen seine Tannen und Fichten dunkel, aber innerhalb des Waldes war im 22. Jahrhundert alles grün und ange
    nehm. Manikürte Pfade verlockten selbst die Faulsten, sich einer Wanderlust hinzugeben, die frei von drohenden Unbequemlichkeiten war. Nur im südlichsten Teil des Höhenzugs, um den Feldberg und seine Schwestergipfel, hob sich das Terrain über tausend Meter. Im 22. Jahrhundert war der Schwarzwald dick gepfeffert mit altmodischen Badeorten, restaurierten Burgen, Kurhäusern und Bergdörfern, wo außerplanetarische Besucher von kostümierten Bewohnern und leckeren Kirschtorten willkommen geheißen wurden.
    Der Schwarzwald des Pliozän war etwas ganz anderes.
    Bevor kleine Gletscher des Pleistozän die Kette erodierten, war er höher und finsterer. Dem Graben des urrheins zugewandt, erhob sich eine Wand, fast fünfzehnhundert Meter hoch, unterbrochen nur hie und da von engen Schluchten, die Wildwasser aus dem Hochland eingeschnitten hatten. Fußwanderer, die sich dem Schwarzwald vom Fluß her näherten, mußten eine dieser Schluchten hinaufklettern, steilen Wildpfaden folgen zwischen großen Granitblöcken, die auch in der trockenen Jahreszeit in Grün erstickten, denn die von vielen Wasserfällen aufsteigenden Nebel hielten sie feucht. Von gestählten Firvulag-Bergsteigern war bekannt, daß sie die Wand in acht Stunden erstiegen hatten. Madame Guderian und ihre verkrüppelte Gesellschaft brauchten drei Tage.
    Oberhalb des östlichen Grates begann erst der eigentliche Schwarzwald. In Flußnähe, wo starke Winde von den Alpen her den Graben herunterbliesen, verzerrten sich die Fichten und Tannen zu phantastischen Formen. Manche Stämme ähnelten sich windenden Drachen oder braunen Pythons oder sogar humanoiden Riesen, auf ewig in Todesqual erstarrt, die oberen Gliedmaßen zwanzig, dreißig Meter über dem Boden zu einem Dach verflochten.
    Weiter östlich beruhigte und streckte sich dieser verrenkte Wald. Das Land des südlichen Schwarzwaldes erhob sich schnell zu einem beherrschenden Kamm, der mehr als zweitausend Meter hoch war und drei Gipfel besaß. Die westliche Flanke war bedeckt mit Koniferen von ungeheuren Proportionen; Weißfichten und norwegische Tannen von siebzig Metern Höhe wuchsen in so dichten Reihen, daß ein Baum, wenn er starb, keinen Raum zum Fallen fand und sich statt dessen gegen stützende Nachbarn lehnte, bis er morsch wurde und in Stücke brach. Nur selten gab es eine Lücke im Blätterdach, das Richard erlaubte, ihren Kurs nach der Sonne oder dem Nordstern festzulegen. Sie fanden keinen erkennbaren Pfad, so daß der Ex-Raumfahrer einen anlegen mußte, indem er sich mühsam von Wegmarke zu Wegmarke bewegte. Wegen der Dichte des Waldes hatte er nie mehr als fünfzehn oder zwanzig Meter Sichtweite.
    Das Untergeschoß dieses immergrünen

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