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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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falschen Eindruck von der Stärke und Einsatzbereitschaft Englands und der NATO vermittelten.
    Am Mittwoch, dem 6. Mai, erhielt und las er ein Bündel von sieben Schriftstücken über die neuesten Beschlüsse, Vorschläge, Konferenzen und Anfragen, die ihm angeblich im Lauf der letzten vierzehn Tage zugegangen waren. Alle trugen die Vermerke Top Secret oder Cosmic. Bei der Lektüre eines dieser Papiere stutzte er. Er brachte sie noch am selben Abend in Benottis Eisdiele, und vierundzwanzig Stunden später erhielt er den Anruf, der ihr Eintreffen bestätigte.
    Am folgenden Sonntag, dem 10. Mai, kauerte Valeri Petrofski in der Abgeschlossenheit seines Schlafzimmers in Cherryhayes Close an seinem starken Transistorgerät und lauschte auf den Strom von Morsesignalen auf der Welle Moskau, die er weisungsgemäß eingestellt hatte.
    Von sich aus konnte er nicht senden; Moskau würde niemals zulassen, daß ein wertvoller Illegaler sich durch eigene Funkbotschaften in Gefahr brächte, denn die Qualität der britischen und amerikanischen Funküberwachung war bekannt. Petrofski hatte ein sehr großes handelsübliches Braun-Radio, das fast jeden Kanal der Welt hereinholen konnte.
    Er saß in gespannter Erwartung da. Es war einen Monat her, daß er über Poplar den Verlust eines Kuriers und dessen Lieferung gemeldet und um Ersatz gebeten hatte. An jedem zweiten Abend und den darauffolgenden Vormittagen hatte er, wenn er nicht mit dem Motorrad unterwegs war, um etwas abzuholen, auf die Antwort gewartet. Bisher war sie nicht gekommen.
    An diesem Abend um zweiundzwanzig Uhr zehn kam endlich sein Signal über den Äther. Block und Stift lagen bereit. Nach einer Pause begann die Botschaft. Er warf die Morsezeichen gleich in Englisch aufs Papier, ein Gewirr unentzifferbarer Buchstaben. Zumindest die Deutschen, Briten und Amerikaner würden auf ihren jeweiligen Lauschposten die gleichen Buchstaben aufzeichnen.
    Als die Botschaft beendet war, schaltete er das Gerät ab, setzte sich an seinen Toilettentisch, suchte den passenden Einmalcode heraus und fing an zu dechiffrieren. In einer Viertelstunde hatte er den Text: Feuervogel zehn ersetzt Zwei TZ. Es wurde dreimal wiederholt.
    Er kannte Treff zehn. Er war einer der Reservetreffs, nur für den Notfall, der jetzt eingetreten war. Und der Ort war ein Flughafenhotel. Ihm waren Rasthäuser oder Bahnhöfe lieber, aber er wußte, daß manche Kuriere aus beruflichen Gründen nur in London verfügbar waren und nur wenig Zeit hatten.
    Und er hatte noch ein Problem. Der Treff mit Kurier zehn lag zwischen zwei anderen Verabredungen und gefährlich nah an der Begegnung mit Kurier sieben.
    Zehn mußte er zur Frühstückszeit im Hotel Post House von Heathrow treffen; Sieben würde am selben Vormittag um elf Uhr auf einem Hotelparkplatz außerhalb Colchester warten. Das bedeutete eine Parforce-Fahrt, aber es war zu schaffen.
    Am Donnerstag, dem 12. Mai, brannten noch spätabends in Downing Street Nummer 10, Amts- und Wohnsitz der britischen Premierminister, alle Lichter. Mrs. Margaret Thatcher hatte für eine Strategiesitzung ihre engsten Ratgeber und das innere Kabinett einberufen. Einziger Punkt der Tagesordnung waren die kommenden Wahlen; eine förmliche Beschlußfassung und Festlegung des Wahltermins.
    Wie üblich machte sie ihren eigenen Standpunkt von Anfang an klar. Sie hielt es für richtig, eine dritte Amtsperiode anzustreben, obwohl sie nach der Verfassung noch bis Juni 1988 Regierungschefin bleiben könnte. Einige der Anwesenden bezweifelten sogleich, daß es klug wäre, schon so früh Neuwahlen auszuschreiben, aber aus langjähriger Erfahrung bezweifelten sie auch, daß sie mit ihren Bedenken sehr weit kommen würden. Wenn die britische Premierministerin etwas »im Gefühl« hatte, dann bedurfte es schon sehr starker Argumente, um sie davon abzubringen. In der vorliegenden Frage schien die Statistik ihr recht zu geben.
    Der Vorsitzende der Konservativen Partei lieferte prompt alle Resultate der demoskopischen Umfragen. Die Allianz von Liberalen und Sozialisten, so erklärte er, schien noch immer bei zwanzig Prozent der Wählerschaft in Gunst zu stehen.
    Da England weder den Zweiten Wahlgang kennt, wie ihn die Franzosen haben, noch das Proportionalsystem der Iren, sondern jeder Wahlkreis an den Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl fällt, würde die Allianz voraussichtlich zwischen fünfzehn und zwanzig Sitze erhalten. Von den siebzehn nordirischen würden vermutlich zwölf an

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