Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)
israelischen Armee seit über zehn Jahren nicht mehr benutzt, und abgesehen von Waffenausbildern wie uns wusste nur ein Soldat pro Zug, wie man sie aufbaute und damit zielte. Der Aufbau war kompliziert, Drehknöpfe mussten ganz genau eingestellt und verschiedene Teile in bestimmten Winkeln ausgerichtet werden. Aber wenn die froschähnliche Waffe fest im Boden verankert und mit Granaten geladen war, war es ein Kinderspiel, damit zu schießen. Man zog so fest man konnte nach rechts. Dann drückte man mit beiden Daumen den Abzug.
Mit der fünften Granate jagte Hagar einen herrenlosen Subaru auf dem Schießplatz in die Luft. In wenigen Sekunden verschoss sie zehn weitere Granaten.
»Eine Granatmaschinenwaffe«, sagte Hagar und nahm Schutzbrille und Helm ab. »So ein Ding kann sich nur ein Kerl ausgedacht haben.«
Durchs Fernglas sah ich mir die Überbleibsel des anderthalb Kilometer entfernten Subaru an. Den darüber wabernden Staub, die schwarzen Kleckse der Reifen. Jede Granate hatte einen Tötungsradius von fünfhundert Metern.
»Ich glaube, es heißt ›Maschinengranatwaffe‹«, sagte ich. »Also andersrum.«
Hagar ignorierte mich. Sie stand auf und nahm das Fernglas. »Ich kann mir richtig vorstellen, wie das Gespräch ablief, als sie sich das Ding ausgedacht haben: ›Ey Alter, weißt du, was echt cool wäre? Wenn wir eine Maschinenwaffe hätten, eine automatische mit einem Granatwerfer!‹« Hagar sprach mit tiefer Stimme und griff sich in den Schritt. Neta und Amit lachten, ich lächelte nur.
Hagar war keine besonders gute Schauspielerin, und ihre langen blonden Haare leuchteten grell in der über der Düne stehenden Junisonne. Sie war ganz eindeutig ein Mädchen, der Zeitvertreib mit der ALGL an diesem Morgen war ihr Vorschlag gewesen, und sie war nun mal kein Kerl.
Ich war diejenige, die den Mädchen sagte, dass ich eine Runde mit der bescheuerten ALGL aussetzen würde. Ich wusste noch von der Grundausbildung, wie sich der Rückstoß anfühlte, wie er meine Brusthöhle unter Strom setzte, und ich war glücklich, so glücklich, einfach nur mit den drei Mädchen zusammen zu sein. Der Morgen war gut, und als Hagar mein Lächeln erwiderte, sah man noch einen Rest pfirsichfarbenen Lippenstift auf ihren Zähnen, und man musste sie einfach lieben.
»Hör auf mit deinen schmutzigen Gedanken«, sagte sie.
»Geht nicht«, sagte ich. »Ich kann nicht glauben, dass ich bald eine ganze Woche mit dem Amerikaner habe.«
Hagar kannte Ari, den Amerikaner, besser als wir alle, weil ihr die Ausbildung seiner Fährtenleser-Neulinge übertragen worden war, als sie vor drei Monaten ihre M16-Woche hatten. Auf unserem Stützpunkt fand unter anderem, als eine der eher unwichtigen Missionen, das Trainingslager der Beduinen-Fährtenleser statt. Ari und ein anderer Typ, Gil, waren von ihren Infanterie-Einheiten als Ausbilder der Fährtenleser auf unseren Stützpunkt abkommandiert worden, weil die Beduinen-Fährtenleser Vollidioten waren und unfähig, ihr eigenes Trainingslager durchzuführen. Morgen ging für mich die M16-Woche mit Ari und seinen Rekruten los. Ich freute mich darauf, etwas zu tun zu haben. Ich freute mich darauf, weil ich, obwohl ich einen Freund hatte, stündlich daran dachte, es nach dem Seitensprung mit Boris mit einem anderen Mann zu machen. Und zwar mit Ari.
Im Krieg versuchte ich, mich daran zu erinnern, was wir vorher den ganzen Tag über gemacht hatten, aber es ging nicht. Jeder Tag war anders. Die Monate vor dem Krieg waren langsam. Die Jugend in Hebron hatte sich beruhigt, und die beiden Jungs aus Hidna, die den Zaun geklaut hatten, waren nach ihrer Festnahme so verprügelt worden, dass keiner von den anderen Jungs je wieder zum Stützpunkt gekommen war. Jeden Monat führte unser kleiner Stützpunkt für die Kompanie, die gerade um Hebron und an der Route 433 im Einsatz war, fünftägige Trainingseinheiten durch. Wir frischten die Fähigkeiten der Scharfschützen auf und mussten für den Rest des Monats nicht mehr Wache stehen, weil die Kompanien genug Leute hatten, um ein paar abzutreten, die den Stützpunkt bewachten. Jugendliche konnten sich damals kaum eine bessere Stationierung wünschen. An den meisten Tagen folgte man dem Vorschlag eines der Mädchen; für Neta, Amit und mich waren das in der Regel Hagars Vorschläge. An manchen Tagen hatte sie Lust, mit einer Waffe zu schießen, die man uns in der Grundausbildung gezeigt hatte (»Ich hab da so ein Gefühl«, sagte sie. »Ich glaube, das ist
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