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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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auf dem grünen Monitor noch immer keine Menschen zu sehen, die es nicht gibt; da ist nur der umgefallene Baum, aber daneben liegt jetzt auch ein Mensch auf dem Boden. Die Person ist viel größer als die erfundenen Menschen auf dem Monitor sonst; die Person sieht so groß aus, wie die Sudanesen normalerweise auf dem Monitor aussehen. Sie ist so groß wie ein Fingernagel und niedlich, zusammengerollt wie ein Alien. Ich sehe, wie sie auf dem Sandbett atmet. Wir kriegen Ärger, wenn wir auf den Bildschirm fassen, weil er dann zerkratzt, aber das ist mir egal. Ich denke an einen anderen Menschen. Ich berühre den grünen Monitor – er ist kalt und weit weg und echt. Ich tue so, als ob ich das Kind berühre, dass ich nie kennenlernen werde. Ich tue so, als würde es mich nicht geben. Für diesen einen Augenblick gibt es nur sie.
    Person B
    Ich lag neben dem umgestürzten Baum im Sand, sah den Zaun und spürte, wie mir jemand die Hand auf die Schulter legte. Sehr lange lag die Hand auf meiner Schulter. Das war kein abgebrochener Ast. Das war eine Berührung. Eine kühle Berührung der Ewigkeit. Mama , dachte ich. Eine Million Mal und viele Mal mehr und noch vielmals mehr. Mama, Mama, Mama . Irgendwann, nachdem mein Vater uns verlassen hatte, brachte sie mir bei, wie man Reis kocht. Sie hielt meine Hand, und zusammen rührten wir um. Das ist alles lange her. Sie hielt meine Hand, aber ich war klein, und der Reis war am Ende hart. Sie sagte, das läge am Wasser. Sie sagte, das Wasser wäre nicht gut. Aber das war der Abend, an dem sie aufhörte, mir die Haare zu flechten. Sie hat mir an diesem Abend keine Zöpfe geflochten und auch später nie wieder, aber vielleicht ist das auch die Nacht gewesen, in der ich aufgehört habe, sie darum zu bitten. Wir haben den Reis trotzdem gegessen, sind dann ins Bett gegangen und irgendwann wieder aufgewacht. Der Abend, an dem sie meine Hand hielt und wir zusammen umrührten – dieser Abend hätte ewig dauern sollen, ging aber zu Ende. Der andere Abend, der am Zaun neben dem umgestürzten Baum, dieser Abend dauerte auch nicht ewig. Als ich im Sand lag, hätte ich schwören können, dass mich jemand berührte. Aber die Stimme meiner Mutter war kaum noch zu hören. Das »Nicht gut«-Geflüster wurde immer stiller und starb. Die böse alte Magie war verschwunden. Und trotzdem. War da eine Hand, ich konnte sie nicht sehen, aber ich spürte sie immer noch auf der Schulter. Diese Berührung, das war nicht meine Mama. Auf dem Krankenhausbett in dem kleinen Land wusste ich, da wusste ich ganz genau, dass es niemals sie gewesen sein konnte, die mich da am Zaun berührt hatte. Auf diese Weise berührt zu werden, aus solcher Ferne, war, als wäre ich die Weintraube, die ich nie sein konnte – ich konnte sie sehen, aber sie konnte mich nicht sehen. Als ich die Weintraube berührte, betasteten meine Finger die grüne Schale, und sie war kalt und fern und echt. Jemand war da gewesen, war es aber doch nicht, und ich, ich stand auf und rannte zum Zaun aus kleinen Messern und sprang hinein. Ich ganz allein.

Ein automatischer Granatwerfer
    Dreizehn Tage vor Kriegsausbruch wurde ich plötzlich schön. Das war das Beste überhaupt. Es gibt nichts Besseres im Leben einer Frau, auch wenn andere einem das manchmal einreden wollen.
    Der Tag begann an dem Schießstand, der am weitesten weg war und genug Sicherungen bot, um mit der ALGL-Waffe zu spielen. Ein herrlicher Morgen, ein Morgen wie ein Strandmorgen, der nach Sonnencreme roch.
    »Yael«, sagte Hagar an dem Morgen, »heut wird ein guter Tag.«
    Das sagte sie allerdings jeden Morgen, seit wir befreundet waren. Freundinnen wurden wir erst ein paar Monate später, nachdem Dana mich beschuldigt hatte, ihre Sachen geklaut zu haben. Ich sollte in einen anderen Container ziehen, dann würde sie es keinem erzählen. Hagars Container war der Einzige, in dem ein Bett frei war. Die Mädchen waren nicht gerade erfreut, als ich einzog. Am Anfang ignorierten sie mich, aber an diesem Tag hatte ich es geschafft, dass sie mich mochten. An dem Tag hatte ich Freundinnen.
    Der Tag mit der ALGL war dann mehr als nur schön, weil die Mädchen in meinem neuen Container da schon meine Freundinnen waren, meine ersten richtigen Armee-Freundinnen. Ein automatischer Granatwerfer mit leichter Konfiguration, kurz ALGL, wog so viel wie ein Zweitklässler, und wir gruben in aller Ruhe ein knietiefes Loch in den Boden, damit der Ständer fest saß. Die ALGL wurde von der

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