Das Vortex Fiasko
Ihre Finger versagten ihr den Dienst, und die kochende Flüssigkeit schwappte in kleinen Wellen über den Tassenrand. Sie gab den Versuch auf und stellte die Tasse wieder auf die Untertasse ab. Sie sah Bane verzweifelt an. »Ich brauche Hilfe, aber ich habe Angst, mir welche zu suchen. Wenn diese Verwandten erfahren, in welch einem Zustand ich mich befinde, werden sie wieder gegen mich vorgehen, und ich werde alles verlieren, was ich habe, sogar mein Haus. Ich habe nicht gut geschlafen, Mr. Bane. Tagtäglich durchlebe ich lange Phasen der Depression, die noch schlimmer sind als die nach dem Tod meines Mannes. Dann verschwinden sie plötzlich, und mir wird grundlos schwindelig. Diese Zustände wechseln immer wieder ab, und ich weiß nicht, welcher schlimmer ist. So war ich früher nicht, Mr. Bane, das müssen Sie mir glauben. Mir ist es noch nie so schlecht gegangen wie nach diesem Flug. Ich habe versucht, alles damit zu erklären, daß ich meine Dramamine vergessen hatte, aber irgendwie weiß ich, daß es an etwas anderem liegt.« Erneut versuchte sie einen Schluck zu trinken, schaffte es diesmal aber nicht einmal, die Tasse vom Unterteller zu heben. »Werde ich verrückt, Mr. Bane? Drehe ich durch?«
Bane konnte sie nur mitfühlend betrachten; der Geruch des Kaffees, den er noch nicht angerührt hatte, stieg ihm in die Nase. Sie hatte gerade wie aus dem Lehrbuch Symptome einer manischen Depression beschrieben, Symptome, die sie sich während des Flugs 22 zugezogen haben wollte. Davey Phelps, Renshaw, und nun das.
»Da ist etwas, das ich Ihnen noch sagen wollte, Mr. Bane«, fuhr Gladys Baker leise fort, »etwas anderes, das mir während des Fluges seltsam vorkam. Wegen all der anderen Vorfälle habe ich ihm aber keine große Beachtung geschenkt. Es war meine Uhr.«
»Ihre Uhr?«
»Nach der Landung habe ich sie mit einer Uhr im Flughafengebäude verglichen, und sie ging vierzig Minuten nach.«
Ein Schaudern ergriff Banes Rückgrat. »Dieses seltsame Erlebnis, das Sie gerade beschrieben haben, Mrs. Baker … Sie sagten, es ereignete sich kurz vor der Landung?«
Gladys Baker nickte.
»Und es schien nur ein paar Sekunden zu dauern, nach denen das Flugzeug dann aufsetzte?«
»Genau.«
Dane schaute zu seiner Kaffeetasse hinab und rührte nachdenklich darin herum. Flug 22 war vierzig Minuten, nachdem Jake Del Gennio ihn als vermißt gemeldet hatte, gelandet. Gladys Bakers Erlebnis traf mit dem Augenblick zusammen, da Jake gesehen hatte, wie der Jet verschwand, und ihre Uhr hatte irgendwo in der Luft vierzig Minuten verloren, die an Bord des Flugzeuges anscheinend nicht verstrichen waren. Was war mit ihnen geschehen?
»Und ich will Ihnen noch etwas sagen«, fuhr Mrs. Baker fort, »ich bin es nicht nur allein. Wenigstens glaube ich das nicht. Wissen Sie, ich kannte ein Mädchen, daß an Bord des Flugzeugs war. Nun, eigentlich kenne ich seine Mutter, aber ich erkannte es und begrüßte es an Bord. Sie kommen aus New Jersey. Hillsdale, da bin ich mir ziemlich sicher, eine wunderbare Gegend. Ich habe diese Woche ein paarmal versucht, sie anzurufen, aber jedes Mal, wenn ich ihrer Mutter gegenüber den Flug erwähne, legt sie auf, und ich konnte noch nicht mit dem Mädchen sprechen. Ich weiß genau, daß ihr auch etwas zugestoßen ist. Ich fühle es einfach.« Tränen stiegen in Gladys Bakers Augen empor. »Sie glauben mir doch, Mr. Bane, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Bane, und das half Gladys Baker, sich zumindest so weit zu entspannen, daß sie die Kaffeetasse an die Lippen heben konnte.
Der Name des Mädchens, so erfuhr Bane, bevor er aufbrach, lautete Ginny Peretz, und sie wohnte in einem Haus, das mindestens doppelt so groß war wie das von Gladys Baker, an der Mountain View Terrace im eleganten Vorort Hillsdale in New Jersey. Das Hausmädchen, das die Tür öffnete, schien jedoch entschlossen, Bane den Zutritt zu verwehren. Er blieb beharrlich, und sie verschwand schließlich, um die Dame des Hauses zu suchen.
»Mein Rechtsanwalt ist schon unterwegs«, sagte Mrs. Peretz, eine guterhaltene Dame Ende Vierzig mit nur ein paar grauen Haaren, die ihr seit dem letzten Besuch beim Friseursalon gesprossen waren, anstelle einer Begrüßung.
»Das wird nicht nötig sein«, entgegnete Bane.
»Wir wollen keinen Ärger.«
»Ich bin nicht hier, um welchen zu machen. Ich habe Ihrem Hausmädchen meinen Ausweis gegeben.«
Mrs. Peretz runzelte spöttisch die Stirn. »Der interessiert mich nicht. Mein Gatte hat einen
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