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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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meines Vaters konnte ich natürlich nicht mithalten, und so landete ich mit einem recht armseligen Bauchplatscher im knöcheltiefen Wasser, als mein Vater schon die Ruder in die Pinnen geschmettert hatte und mit ausladenden Zügen dem kleinen Boot hinterherruderte.
    Schon war die Stimme meines Bruders nicht mehr so arg gut zu hören, denn er hatte innerhalb dieser knappen Minute wirklich eine erstaunliche Strecke zurückgelegt. Er war zwar nicht direkt hinaus aufs offene Meer gesegelt, sondern eher diagonal – aber die unaufhaltsam nahenden Felsen der Bucht waren eigentlich noch viel schlimmer.
    Mein Vater wusste ganz genau, dass er das Schlauchboot erreichen musste, bevor Nico in seinem Planschgefährt gegen die Felsen prallte. Denn falls er kenterte, würde ihn der Sog der immerfort umwälzenden Wellen gnadenlos nach unten ziehen.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als am Strand entlang hinterherzulaufen und dabei so überzeugend wie möglich besonders nutzlos auszusehen. Selbst wenn ich wie der Teufel gerannt wäre, hätte ich niemals die Stelle auf den Felsen erreicht, auf die mein Bruder zusauste. Meine einzige Hoffnung war, dass mein Vater schnell genug ruderte.

    Und was soll ich sagen, natürlich ruderte er schnell genug. Mehr als zwanzig Meter bevor es hätte brenzlig werden können, setzte mein Vater das große Maja-Schlauchboot quer zum Weg des Segelschiffchens und blockierte so erst einmal dessen Fahrt. Dann tat er das einzig Richtige, griff nach einem der Seile, mit dem ich den Mast festgezurrt hatte, und ließ das so erschreckend effektive Konstrukt in sich zusammenfallen. Dann zog er kurzerhand das kleine Boot mitsamt meinem Bruder einfach in das größere Boot hinein, hob ihn heraus und setzte ihn neben sich auf die Bank.
    Als meine Mutter vom Einkauf im Mini-Market zurückkam, waren alle schon wieder wohlbehalten am Stand angekommen, und mein Vater machte schon wieder Witze, um uns beide aufzuheitern.
    Mein Bruder segelte nie wieder mit mir. Obwohl er inzwischen einen Segelschein nebst Schiff besitzt und damit zusammen mit seiner Freundin die kroatische Küste rauf und runter kreuzt, hat er mich bis heute nicht offiziell auf einen Besuch geladen. Ich durfte das Schiff nur betreten, als es für Reparaturarbeiten auf einem Hänger in seinem Garten stand. Gewassert habe ich das Boot noch nie mit eigenen Augen gesehen. Vielleicht ging zusammen mit dem Segelschein auch der Aberglaube der Seeleute auf ihn über, und er hält mich für eine Art Unglücksbringer im nautischen Bereich.

    Und wissen Sie was? Ich könnt’s ihm nicht mal verdenken.

Ausflüge
    I m Campingurlaub konnte mich mein Vater eigentlich nur mit zwei Dingen aus der Dackelgarage locken: mit dem Versprechen, dass es am Ausflugsziel einen Kiosk mit deutschen Comics gab, oder mit einer Burg.

    Burgen finde ich immer noch ganz, ganz toll. Die alten Gemäuer üben eine seltsame Faszination auf mich aus, und ich habe bis heute fest vor, irgendwann in einer solchen einzuziehen. Für immer. Langsam wird’s zwar eng, aber mein Wille ist ungebrochen.
    So konnte mein Vater mit dem Hinweis, dass sich am Ende der heiß-lärmig-stickigen Fahrt eine Burg oder wenigstens Reste davon befanden, eigentlich immer bei mir punkten. Als ich noch kleiner war, wurde einfach alles mit dem Oberbegriff »Burg« betitelt, um mich rauszulocken. Nach Aussage meiner Mutter auch die Akropolis und das antike Olympiastadion. Mein Vater hatte dann immer die Aufgabe, mir zu erzählen, wo die Ritter gespeist, geschlafen und gekämpft hatten. Im Olympiastadion hatten sie eine besonders große Reithalle.

    Ich erinnere mich an einen denkwürdigen Ausflug, der mir ein lebenslanges Scherflein einbrachte, gegen das ich in manchen Situationen bis heute ankämpfen muss.
    Bis zu meinem sechsten Lebensjahr war ich nämlich absolut schwindelfrei. Meine Mutter erzählt immer, dass sie gar nicht so schnell schauen konnte, wie ich auf alles hinaufkletterte, was erkletterbar schien. Ich glaube, der Grund, warum ich es tatsächlich überall hinaufschaffte, war, dass ich mir keine Gedanken machte, ob es möglich war. Insofern war ich hier ganz der väterlichen Familientradition verhaftet, und ich vermute mal, dass das auch einer meiner wenigen Eigenheiten war, die mein Vater aus vollem Herzen goutierte. Schade, dass er dann ursächlich beteiligt war am jähen Ende meiner Kletterleidenschaft, und das kam so:
    Wir waren in Italien. Das weiß ich deswegen, weil das zu bestaunende Bauwerk die

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