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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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mich hin und stützte meinen schweren Kopf in die Hände. »Sie haben natürlich recht, Onkel, wie immer. Also gut, wenn es nötig ist, weihen Sie Bonaparte ein!«

    Ich befolgte Onkel Jeans Ratschlag, legte mich auf mein Bett und schloß die Augen, um etwas Ruhe zu finden.
    Doch mir ging zu vieles im Kopf herum, und ich wälzte mich von einer Seite auf die andere.
    Hauptsächlich beschäftigte mich Marufs Eröffnung, er könne uns den Aufenthaltsort der Ritter verraten.
    Wenn das stimmte, war Ouridas Rettung in greifbare Nähe gerückt! Vergebens zermarterte ich mir den Kopf darüber, was er wissen und woher er sein Wissen haben mochte. Es half alles nichts, ich mußte mich gedulden.
    Rastlos schwang ich mich schließlich vom Bett und suchte die Bibliothek auf, wo ein großer Brandfleck auf dem Boden von den Verwüstungen zeugte. Um mich abzulenken, wollte ich meinem Onkel helfen, seine Bü-
    cher einzuordnen. Auf dem Lesetisch und dem Fußboden türmten sich mehrere Stapel, die darauf warteten, in die neu errichteten Regale gestellt zu werden. Ich kannte Onkels Jeans System, die Bücher wurden nach Wissensgebieten und dem Jahr der Erstveröffentlichung sortiert.
    Bei einem schon recht abgewetzten braunen Leder-band machte mich der Titel stutzig: Über die Legende und Geschichte christlicher Reliquien. Eine Stelle in dem 1789 erschienenen Buch war mit einem Lesezei-chen markiert, einem Ausriß aus einer Zeitung. Neugierig geworden, schlug ich die betreffende Seite auf. Tatsächlich, es ging um das Wahre Kreuz! Ich begann zu lesen:
    Der Verbleib des Wahren Kreuzes nach der Schlacht bei Hattin ist umstritten. Die meisten Historiker behaupten, es sei dem Sultan Saladin in die Hände gefallen, der es als Zeichen seines Sieges gut verwahrt habe.
    Ab diesem Zeitpunkt jedoch gehen die Berichte stark auseinander. Wohl soll Saladin dem französischen Kö-
    nig Phillipp II. und dem englischen König Richard Lö-

    wenherz anläßlich des dritten Kreuzzugs eine Rückgabe des Kreuzes zugesichert haben, aber nach Überprüfung der überwiegenden und verläßlichsten Quellen läßt sich feststellen, daß die Rückgabe unterblieben ist. Überwiegend wird behauptet, das Wahre Kreuz sei seitdem verschollen. Es gibt aber eine Legende in der arabischen Literatur, wonach Saladin nicht das Kreuz Jesu erbeutet hat, sondern eine Fälschung. Das Wahre Kreuz sei ein paar ausgesuchten Rittern mit dem Auftrag übergeben worden, es vor den Truppen Saladins zu retten. Diese Ritter sollen in der Wüste Aufnahme bei einem Beduinenstamm gefunden haben, bei dem, so die Legende, das Kreuz noch heute in Verwahrung ist.
    Verwirrt hielt ich inne und ließ mich auf einen der von Nafi reparierten Stühle sinken. Was ich eben gelesen hatte, enthielt nichts, was mir neu gewesen wäre. Mich irritierte der Umstand, daß es überhaupt dort niedergeschrieben war. Bislang hatte ich das Schicksal des Wahren Kreuzes für ein Geheimnis gehalten, und jetzt fand ich es in einem französischen Buch niedergeschrieben, nur vage zwar, aber insgesamt doch im Einklang mit dem, was ich in den vergangenen Tagen erfahren hatte. Hatte Onkel Jean die Stelle erst kürzlich entdeckt und nur noch keine Zeit gefunden, mit mir darüber zu sprechen?
    Ich betrachtete den Zeitungsausriß, der als Lese-zeichen diente. Es war ein Fetzen aus einer französischen Zeitung. Der Tag war nicht mehr zu erkennen, aber Monat und Jahr konnte ich lesen: September 1797. Ungläubig starrte ich auf das Datum und las es zehn- oder zwölfmal. September 1797!
    Demnach mußte mein Onkel die Geschichte über die Rettung des Wahren Kreuzes längst gekannt haben, als ich sie ihm drei Nächte zuvor erzählte. Das erschien mir unglaublich – es ergab keinen Sinn!

    Natürlich, da fiel es mir ein: Die Zeitung war schon alt gewesen, als Onkel Jean die Stelle markierte. Nach unserem nächtlichen Gespräch selbstverständlich. Aber als ich erneut in das Buch sah, bemerkte ich einen fetten schwarzen Fleck genau dort, wo der Ausriß gelegen hatte. Die Druckerschwärze mußte ihn hinterlassen haben; darum war der Tag auf dem Ausriß verwischt. Die Zeitung war also druckfrisch gewesen, als mein Onkel die Buchseite markierte.
    Sosehr ich mich auch dagegen sträubte, ich mußte doch schlucken, daß Onkel Jean schon viel länger wußte als ich, daß das Wahre Kreuz bei einem Beduinenstamm zu suchen war!
    Ich legte den Ausriß wieder in das Buch und das Buch zurück auf den Stapel. Anschließend nahm ich alle Bände,

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