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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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war.
    Aber wie ihn herunterholen? Zu akrobatischen Lei-stungen fühlte ich mich ganz und gar nicht in der Lage.
    »Warte hier«, sagte ich und ging zurück in den Vorraum des Zeltes. Nach kurzem Ausschauhalten fand ich eine Ecke, in der überzählige Zeltstangen la-gerten, genau das, was ich suchte. Ich nahm eine der Stangen mit nach draußen und stieß mit ihrem einen Ende wieder und wieder von unten gegen das Zeltdach.
    Schließlich wackelte der Ball, setzte sich gnädig in Bewegung, rollte zum Rand des Daches und fiel Rabja vor die Füße.
    Sie hob ihn auf und strahlte mich an. » Shukran! –
    Danke!«
    »Gern geschehen, Rabja. Jetzt kannst du wieder mit deinen Freunden spielen.«
    Sie rührte sich nicht vom Fleck, sondern hielt mir den Ball entgegen. »Spiel du mit mir, Musâfir!«
    Eigentlich war ich nicht zum Ballspielen aufgelegt, aber das kleine Mädchen mit den großen Augen rührte mich. Also ließ ich mich auf ihren Vorschlag ein, und wir warfen einander den Ball zu. Mich packte dabei leichter Schwindel, weshalb ich mich beim Fangen nicht sonderlich geschickt anstellte. Rabja verstand wohl nicht, daß ich nicht tolpatschig, sondern schwach war; sie freute sich einfach darüber, daß sie besser fing als ich.
    Ich nahm es ihr nicht übel, im Gegenteil, ich mochte ihr glucksendes Lachen. Als sie mich um Hilfe bat, hatte sie sehr ernst ausgesehen, fast traurig. Sie jetzt so heiter zu erleben bereitete mir großes Vergnügen, und ich beneidete ihre Eltern um die Tochter. Zum ersten Mal in meinem Leben kam mir so etwas in den Sinn.
    Ich fragte mich, ob ich auch einmal Kinder haben wür-de und mit welcher Frau. Natürlich dachte ich an Ourida, und meine Gedanken wanderten nach Kairo, wo ich sie einem ungewissen Schicksal überlassen hatte.
    Hätten der Sandsturm und der Überfall der Kreuzritter mich nicht aufgehalten, ich wäre längst in der Stadt am Nil gewesen.
    Vermutlich wäre Ourida auch dann noch mehr oder minder freiwillig in General Bonapartes Palast zu Gast gewesen, aber zumindest hätte ich gewußt, wie es ihr ging, hätte sie vielleicht sogar sehen können. Statt dessen hielt ich mich in einem Beduinenlager auf, in einem mir unbekannten Tal, und spielte mit einem kleinen Mädchen Ball!
    Die Grübelei lenkte mich ab. Der Ball kam geradewegs auf mich zugeflogen, aber ich sah ihn nicht und hob nicht einmal ansatzweise die Hände, um ihn zu fangen. Er prallte gegen meine Brust, fiel zu Boden und rollte ein Stück an der Außenwand des Zeltes entlang.
    Ich folgte ihm und hob ihn auf, da hörte ich hinter mir eine sonore Stimme: » Bism illâhi ! – Um Gottes willen! Was soll das bedeuten, Musâfir? Wenn der Hakim das sieht, läßt er ein Donnerwetter auf mich nie-dergehen, wie ich keins mehr erlebt habe, seit ich ein Kind war. Ich habe ihm versprochen, gut auf dich acht-zugeben. Und was tust du?«
    »Ich spiele mit Rabja Ball«, antwortete ich Jussuf und warf dem Mädchen sein Spielzeug zu. »Sie schien lieber mit mir spielen zu wollen als mit ihren Freunden.«
    Jussufs Miene, eben nur von gespielter Entrüstung gezeichnet, verfinsterte sich. »Das ist kein Wunder, denn Rabja hat keine Freunde.«
    »Keine Freunde?« wiederholte ich fassungslos und starrte das Mädchen an, dessen unschuldiges Gesicht mein Herz so rührte. »Das verstehe ich nicht. Hat sie sich mit ihnen zerstritten?«
    »Nein, es ist nicht Rabjas Schuld. Es ist die Schuld ihres Vaters.«
    »Wie kann man einem kleinen Kind die Schuld des Vaters anlasten?«
    »Sagt nicht auch die Heilige Schrift der Christen, daß die Schuld der Väter übergehen soll auf die Söhne bis ins siebte Glied?«

    »So ähnlich steht es geschrieben, das ist wahr. Aber man darf das nicht verallgemeinern.«
    Jussuf machte eine Armbewegung, mit der er das ganze Lager zu umschließen schien. »Meinem Stamm, der in diesem einsamen Tal Zuflucht gefunden hat, geht es nicht um die Heilige Schrift der Christen, sondern um seine Brüder und Schwestern, die grausam niedergemetzelt wurden.«
    »Niedergemetzelt? Wo? Und von wem?« Jussufs Blick lag fragend auf mir. »Bist du nicht in der unterirdischen Zufluchtsstätte gewesen? Hast du nicht die Spuren des Kampfes gesehen?«
    Ich erinnerte mich daran, wie mein Onkel mir wenige Tage zuvor die Räume im Wüstentempel gezeigt hatte, wo getrocknetes, aber noch verhältnismäßig frisches Blut von einer Tragödie zeugte. Einer Tragödie, die uns rätselhaft erschienen war. Jetzt spürte ich, daß die Lösung des Rätsels zum

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