Das Wahre Kreuz
wir mußten feststellen, daß der Rauch nicht das Schlimmste war. Die Hitze, die sich über unsere Marschkolonnen legte, wurde bald unerträglich. Sie machte unsere Kehlen noch trockener und verschlim-merte den Durst. Uns aber fehlte das Wasser, ihn zu löschen. Und dann, mit dem schrecklichen Durst, kam der Feind über uns!
Aus dem Rauch lösten sich Gestalten, einzelne erst, dann immer mehr, und ganze Scharen von Sarazenen griffen uns an. Wieder schwirrten von galoppierenden Bogenschützen abgeschossene Pfeile durch die Luft.
Dicht vor mir wurde ein Bruder in den Mund getroffen. Er stieß ein gurgelndes Geräusch aus, verdrehte die Augen und fiel vom Pferd. Sofort lief ein anderer Bruder, der in der Schlacht am Vortag sein Tier verloren hatte, herbei und schwang sich in den Sattel. Gilbert sah seinen Bruder mit funkelnden Augen an. »Da hast du deine feigen Hunde, Udaut! Wollen mal sehen, wer von uns am Ende des Tages mehr von ihnen erlegt hat!«
Wir setzten unsere Helme auf und formierten uns unter dem Befehl unseres Großmeisters zum Gegenangriff. Sobald Gérard de Ridefort sein Schwert in Richtung der Sarazenen senkte, ritten wir an, langsam erst, dann immer schneller. Eine lange Reihe gepanzerter Reiter, Brüder des Glaubens und der Waffen, bereit, den Ruhm Gottes mit Schwert und Lanze zu verteidigen.
Unter dem Helm war mir noch heißer als zuvor. Der Schweiß rann in Strömen an meinem Kopf und dann an meinem ganzen Leib entlang. Mein Atem ging immer schwerer, mein Verlangen nach Wasser wuchs ins Unermeßliche, aber ich mußte durchhalten, so wie meine Ordensbrüder auch. Durch den Sehschlitz erfaßte ich nur den vor mir liegenden Teil der Welt, den Feind.
Hatte Saladin seine besten Truppen gegen uns eingesetzt? Auf der Gegenseite sah ich ebenfalls Reiter in gepanzerten Hemden, wenn ihre Rüstung auch nicht so schwer war wie unsere. Durstig und erschöpft, wie ich war, hätte ich gern mit ihnen getauscht.
Wir erreichten die feindliche Vorhut, und ich wählte einen der gepanzerten Reiter aus. Mit zum Stoß angelegter Lanze galoppierte ich auf ihn zu. Auch er richtete seine Lanze auf mich und trieb sein helles Pferd an.
Unwillkürlich dachte ich an den Turnierplatz, doch anders als dort war hier ein tödlicher Ausgang gewiß.
Genau im richtigen Augenblick riß ich den linken Arm mit dem Schild hoch und fing den gegnerischen Stoß ab. Ich konnte mich nicht lange darüber freuen, denn die Heftigkeit des Zusammenpralls hatte mich aus dem Sattel geworfen. Hart schlug ich auf dem Boden auf und war für einen Augenblick ohne jede Orientierung. Mein ganzer Leib schmerzte, der Atem stockte mir, und der verrutschte Helm raubte mir jede Sicht.
Ich kam auf die Knie und riß mir den Helm vom Kopf.
Endlich wieder Luft! Ich tat einen langen Atemzug –
und sah, wie mein Gegner, der die zerbrochene Lanze mit dem Schwert vertauscht hatte, abermals auf mich zugaloppierte.
Sofort ließ ich den Helm fallen und überlegte fieber-haft, was ich tun konnte. Meine Lanze und mein Schild lagen ein Stück entfernt. Mein Pferd war weitergelaufen und für mich unerreichbar. Hastig erhob ich mich und zog mein eigenes Schwert. So stand ich da und erwartete den Angriff des Sarazenen. Die Augen in seinem dunklen Gesicht schienen nichts anderes zu kennen als mich. Ich las keinen Haß in ihnen, nur die kalte Absicht, mich zu töten. Und dann überraschte ich ihn, indem ich, wie ein des Lebens Überdrüssiger, geradewegs vor sein Pferd sprang. Mein Plan war gewagt, gewiß, aber ich vertraute auf die Hilfe Gottes, auf das Leuchten des Wahren Kreuzes!
Das Pferd scheute, sobald ich dicht vor seinen Augen beide Arme hochriß, bäumte sich auf und warf den Reiter ab. Der überschlug sich und verlor den Rundschild. Aber das Schwert hielt er noch immer in der Rechten, als er aufsprang und zu mir herumwirbelte.
Ich schlug zuerst zu und führte meine Waffe mit beiden Händen. Unsere Klingen trafen mit lautem, hellem Klang aufeinander, und winzige Funken sprühten in alle Richtungen.
Die Wucht meines Schlages riß dem Sarazenen das Schwert aus der Hand. Ich drehte mich zu ihm hin und schlug erneut zu, während er sich noch nach seiner Waffe bückte. Einem solchen Schlag hielt sein leichter Panzer nicht stand. Meine Klinge schnitt tief in seine linke Seite. Er fiel abermals zu Boden und lag dort rücklings wie ein Käfer, der nicht mehr von allein auf die Beine kommt. Als ich ihm den tödlichen Stoß in die Brust versetzte, mischte sich unter
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