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Das wahre Leben

Titel: Das wahre Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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richtig an. Wahr. «Und außerdem hab ich schon eine Wohnung gemietet.»
    Â«Du hast eine Wohnung gemietet? Wann hast du denn das gemacht?»
    Â«Gestern.»
    Max lachte wieder. «Das hätt ich dir gar nicht zugetraut.» Er klang beinahe zärtlich. Beinahe wie früher. Als seine Kritik an ihr noch mit Liebe durchdrungen war. «Dass du überhaupt weißt, wie man das macht.» Es blieb Kritik. «Und wann willst du dort einziehen?»
    Â«Morgen.»
    Â«Morgen? So schnell geht das?»
    Erika zuckte mit den Schultern. Ihr kam es vor, als hätte es sehr lange gedauert. Jahrelang hatte sie Fluchtphantasien in ihrem Kopf durchgespielt. Manchmal hatte sie sich vorgestellt, Max würde auf einer seiner vielen Reisen tödlich verunfallen. Von Rebellen erschossen werden, auf dem Weg zu einem der Kollektive, die er regelmäßig besuchte, Weberinnen in Mexiko und Peru, Stofffärberinnen in Indien und Nordafrika. Sie hatte sich vorgestellt, wie sie an seinem Grab stand und weinte und niemandem erklären musste, warum sie lieber ohne Max leben wollte.
    Die Atemlosigkeit, die sie von Anfang an in Max’ Gesellschaft erfasst hatte und der sie jahrelang ausgeliefert war, hatte sie zermürbt. Sie war erschöpft. Sie konnte nicht mehr. Doch jetzt, wo sie ihren Entschluss gefasst, wo sie ihn laut ausgesprochen hatte, erschien er ihr wieder absurd. Ein Gedankenspiel. Eine Laune.
    Â«Was denn für eine Wohnung, wo ist sie? Wie groß ist sie? Können wir sie anschauen gehen?», fragte Suleika.
    Â«Sie ist klein, zweieinhalb Zimmer. Am Stadtrand, Haltestelle Seebach.»
    Â«Seebach?», fragte Max. «Seebach, Erika. Weißt du überhaupt, was das heißt?»
    Â«Zweieinhalb Zimmer?», rief Suleika. «Und wo schlafe ich?»
    Â«Ich dachte, hier … Ich dachte, du bleibst hier …» Erika wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte keine Sekunde daran gedacht, Suleika mitzunehmen. Sie war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass Suleika bei ihrem Vater bleiben wollte. Sie hatte eine enge Beziehung zu ihm, eine engere als zu ihr, und sie konnte es ihr nicht verdenken.
    Â«Ganz allein oder was?»
    Â«Hey, Sully», rief Max. «Jetzt stell dich nicht so an. Ich bin schließlich auch noch da. Und Gerda, und Susanne. Wenn ich nicht da bin, ist jemand anderes da. Oder wir geben die Hütte ganz auf, du kommst mit mir aufs Land, dann musst du auch nicht mehr auf diese Bonzenschule. Du kannst auch eine Lehre machen, Sully … bei mir in der Fabrik, und dann reisen wir zusammen, du siehst etwas anderes als diese heile Welt, ist doch langsam Zeit dafür.»
    Suleika stand auf, ihr Stuhl fiel nach hinten, sie stürmte aus dem Esszimmer. Weiter hinten in der Wohnung knallte eine Tür.
    Max und Erika schauten sich über die Reste des Frühstücks hinweg an. Max griff über den Tisch nach Erikas Hand. Einen Augenblick lang schwiegen sie beide. Dann schüttelte Max den Kopf, lachte: «Für einmal bist du mir also zuvorgekommen», sagte er. «Wer hätte das gedacht?» Er stand auf, ging um den Tisch herum, ohne ihre Hand loszulassen. Er zog sie vom Stuhl hoch und zu sich. Automatisch schmiegte sie sich an ihn, eine reine Gewohnheit. So standen sie vor anderen immer. Jetzt war niemand sonst da. Beinahe väterlich blickte er auf sie herab. «Versteh mich nicht falsch, aber das hätte ich dir nicht zugetraut. Ich bin beinahe stolz auf dich. Jede andere Frau hätte den Status quo noch lange akzeptiert.»
    Sie hielt den Atem an. Wenn er sie jetzt bitten würde zu bleiben. Würde sie bleiben. Erika wusste nicht mehr, was sie wollte. Max fuhr mit der Hand über ihr Haar, verwuschelte es wie bei einem Kind. Dann nahm er sein Handy und begann noch auf dem Weg ins Badezimmer zu telefonieren. Erika ging in ihr Schrankzimmer und zog einen großen Koffer unter den Regalen hervor. Den größten, den sie besaß. Wahllos griff sie nach Kleidern und warf sie samt Bügel hinein. Schuhe obendrauf. Sie wusste nicht, was sie wollte, sie wusste nicht, was sie brauchte.
    Plötzlich stand Suleika hinter ihr. Erika sah ihre formlose Gestalt im Spiegel und richtete sich auf.
    Â«Es tut mir leid», sagte Erika.
    Suleika zuckte mit den Schultern. «Es ist dein Leben», sagte sie.
    Du bist mein Leben, wollte Erika sagen, aber wer würde ihr das glauben?
    Es war Max, der sie rettete. Gutgelaunt kam er aus dem

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