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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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es nie. Mein Vater ist mein Vater, wir gleichen uns wie ein Ei dem anderen.«
    »Du könntest bei den Unveränderlichen leben. Dort wärst du sicher.«
    »Ja«, erwiderte er ernst. »Daran habe ich in letzter Zeit auch schon gedacht.«
    Yarrel, mein Freund. Yarrel, der Bauer. Yarrel, der Pferdenarr, mein eigener Yarrel. Yarrel, der mir geholfen und mich geleitet hatte. Ich sah ihn wie durch einen Nebelschleier, wie er, gebückt unter der Peitsche, Kriegsöfen zusammenbaute, riesige Wagenladungen Holz zerkleinerte. Yarrel. »Wie sehr mußt du uns hassen«, sagte ich. »Zwischen uns zu leben, seitdem du ganz klein warst …«
    »Tat ich auch. Und tue es heute noch manchmal. Aber ich begriff irgendwann, daß ihr euch im Grunde gar nicht viel von uns unterscheidet. Ihr wollt auch bloß leben und essen, wenn ihr hungrig seid und es mit Mädchen treiben – jawohl, obwohl du es vielleicht noch nicht getan hast – und ein gemütliches Zuhause besitzen. Der einzige Unterschied ist, daß ihr mit dem Erwachsenwerden etwas erhaltet, was ich nicht erhalte, und was euch verwandeln und von mir unterscheiden wird. Und von diesem Zeitpunkt an werde ich dich vielleicht hassen.« Er war nachdenklich geworden und blickte über die nebligen Täler, die bekränzten Hügel und zu den felsigen Steilhängen des Gebirgszuges, zu dem unsere Reise führte. Als er weitersprach, zeigte sich die ganze wahrhafte Großzügigkeit, die er sonst auch immer besaß. »Aber Seidenhand hasse ich nicht. Und Himaggery auch nicht. Und vielleicht werde ich nicht aufhören, dich zu mögen.«
    »In der Leuchtenden Domäne gab es keine Spiele.« Ich wußte nicht, warum ich das sagte. Es schien wichtig.
    »Nein. Es gab keine Spiele, und ich habe darüber viel nachgedacht. All die Spieler, die ganze Kraft, die dort versammelt war. Und keine Spiele. Was passiert ist, mit den Drachen, meine ich, wurde bedauert. Dahinter steckt etwas. In Mertynhaus haben wir nie gelernt … wurde uns nie gesagt … daß eine freie Entscheidung möglich ist.«
    Freie Entscheidung. Ich kannte den Begriff. Seine Bedeutung war allerdings sehr gering gewesen. Ein Glas Wein oder nicht. Brot oder Grütze. Aus der Küche Fleisch stehlen oder nicht. Freie Entscheidung. Ich hatte sie nie besessen.
    »Schwer vorzustellen, diese … freie Entscheidung«, sagte ich. Yarrel wandte mir ein Gesicht zu, das so entfernt schien wie die Steilhänge der Bergkette, die Augen in eine andere Zeit gerichtet.
    »Versuch es, Peter«, erwiderte er. »Ich habe es versucht. Manchmal habe ich mir vorgestellt, wie viele es von uns gibt, Bauern, Unveränderliche, und alle leben in diesem Land, ohne zu spielen. Trotzdem werden die meisten von uns durch das Spiel regiert. Wir lassen uns davon regieren. Stell dir vor, was geschähe, wenn wir das nicht täten. Mehr verlange ich gar nicht von dir. Stell dir’s einfach nur vor.«
    Ich war nicht gut darin, mir einfach etwas vorzustellen. Yarrel wußte das nur zu gut. Eine Zeitlang dachte ich, er verhöhne mich. Ich fühlte mich gepiesackt und war ein bißchen ärgerlich. Wir arbeiteten uns tiefer ins Gebirge hinein, immer näher einem bestimmten Gipfel zu, der den Paß nach Evenor markierte, und der Weg dorthin war beschwerlich. Wir unterhielten uns wenig, weil wir alle erschöpft waren. Aus dem Tal weit hinter uns stiegen immer noch Rauchwolken auf, und man hörte Kampfgetümmel. Vor uns lagen nur Berge, Berge, Berge. Ich blieb ärgerlich, bis es mir schließlich langweilig und dumm vorkam, und dann versuchte ich mir das Ganze vorzustellen, wie Yarrel es verlangt hatte. Ich probierte es, strengte mich an, mehr, als ich es jemals in Mertynhaus getan hatte, aber ohne Erfolg. Ich konnte mir weder eine freie Entscheidung vorstellen noch die Bauern und das übrige. Und dann in der Nacht …
    … sah ich mich selbst auf einem flachen Hügel neben meinem Pferd stehen und das Schlachtfeld überblicken. Ich sah die Öfen, die vor Hitze glühten, und die Waffenträger, die wie Fliegen durch die Luft schwirrten und ihre Speere und Pfeile auf die Spieler unten hinabregnen ließen. Ich hörte das tiefe Bumm! Bumm! der Felsbrocken, die von Tragamoren und Magiern gemeinsam aus der Erde herausgehoben und von ihnen als Geschosse verwendet wurden, wobei sie mit ineinander verschränkten Händen ihre Kräfte bündelten, um die mächtigen Steine durch die Macht ihrer Gedanken fortzuschleudern. Hinter den feindlichen Linien sah ich Blitze, als Portierer auftauchten, mit Doppelmessern um

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