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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Onomasticon …« murmelte, sagte mir dieses Wort überhaupt nichts. »All die Ranzelmänner«, sagte er. »Jahr für Jahr, Hunderte von ihnen … suchten und suchten danach, überall, und nun wird es mir von einem unwissenden Jungen in die Hand gedrückt, der nicht ahnt, was er mir da gibt. Entschuldigung, das soll nichts Schlechtes über dich bedeuten. Tja … das Leben steckt voller Überraschungen. Voller Überraschungen …«
    Da begriff ich. Es war das Buch. Das Buch, nach dem er so lange gesucht hatte. Wenigstens glaubte er, es gefunden zu haben. Ich rief mir ins Gedächtnis, daß er ein Seher war. Wenn dies das Buch war, das er in seinen Händen GESEHEN hatte, dann war es bestimmt das richtige. Er redete weiter, wie zu sich selbst.
    »Da, das Wort Festival. Im Onomasticon hat es die Bedeutung ›Gelegenheit zur Fortpflanzung‹. Wir sagen Schulhäuser, doch das Buch nennt es ›Schutz des genetischen Potentials‹. Wir sagen Wahres Spiel, doch hier steht ›Bevölkerungskontrolle‹. Wir sagen König. Das Buch sagt …«
    Yarrel beugte sich und legte die Hand auf die Lippen. »Meister, ist es nicht gefährlich, so zu sprechen?« Windlow schaute wie betäubt hoch, sein Mund bewegte sich weiter. Dann verstummte er, als horche er.
    »Nein. Du hast recht, mein Junge, es ist gefährlich. Gefährlich, was ich sagte, gefährlich für diejenigen, die mir zuhörten. Ich wäre nicht von hier fortgegangen, denn ich hatte mich selbst GESEHEN, wie ich das Buch hier in diesem Turm in der Hand hielt. Außerdem war mir Prionde ans Herz gewachsen wie meiner eigenen Schwester Sohn. Nun aber ist das Buch hier und meine Zuneigung töricht, denn Prionde hat sich gegen mich gewandt. Kommt, wir gehen. Laßt uns von hier verschwinden.«

 
6
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Flucht
     
    »Verschwinden?«
    Ich glaube, Chance sagte es, aber es könnte auch Yarrel gewesen sein. Wir waren alle gleichermaßen erstaunt, nicht über den Gedanken selbst, den wahrscheinlich jeder von uns vieren schon gehegt hatte, seitdem wir im Turm eingesperrt waren. Die Selbstverständlichkeit, mit der Windlow es sagte, erstaunte uns.
    »Verschwinden?« wiederholte ich. »Wie stellt Ihr Euch das vor?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Windlow. »Doch ich weiß, daß wir entkommen werden – zumindest ich –, denn ich habe mich mit dem Buch an einem anderen Ort als diesem GESEHEN. Da ich das Buch nun habe, gibt es keinen Grund zum Zögern, falls uns ein Weg einfällt …«
    Wir konnten uns auch keinen Grund zum Zögern vorstellen, doch half uns das beim Nachdenken über einen Fluchtweg nicht weiter. Die Wächter, die der Hochkönig geschickt hatte, machten nicht den Eindruck, als lasse ihre Wachsamkeit nach. Ein Oberexaminierer befand sich unter ihnen, der möglicherweise nicht ganz so gründlich bei einer Verfolgung war wie ein Unterherold, aber mit dem man trotzdem rechnen mußte. Mindestens einer von ihnen war ein Waffenträger, und das hieß, man würde uns nach der erfolgreichen Flucht aus dem Turm beim Überqueren der Weiden von oben herab entdecken. Wir selbst hatten keinen Waffenträger dabei, der uns durch die Luft tragen konnte. Ich überlegte, ob wir uns vielleicht durch den Erdboden graben könnten, und sagte etwas in diesem Sinn zu den anderen. Yarrel freundete sich sofort mit dem Gedanken an und wanderte mit geistesabwesend konzentriertem Gesicht im Turm herum.
    »Dieser alte Abtritt«, fragte er Windlow, »wißt Ihr, ob er in eine Grube führt?«
    »O nein.« Der alte Mann kramte in seiner Erinnerung. »Das Tal hinab fließt ein kleiner Fluß, den man geteilt hat, ja, ich erinnere mich jetzt, wie die Baumeister da waren. Sie verlegten ihn unter die Erde, damit das Wasser im Winter nicht einfrieren konnte. Es sammelte sich in einem Tank unter der Küche und dem Waschhaus. Von dort aus verliefen Rohre unter dem Turm, und der Abtritt entleerte sich hinein.«
    »Wie groß?« Yarrel vollführte kreisförmige Bewegungen mit den Armen. »Ein schmales Rohr? Oder ein Tunnel? Was bauten sie?«
    »Ja, einen Tunnel, so schmal, wie ein Tunnel eben ist, nehme ich an. Ungefähr deine Schulterhöhe. Ich erinnere mich, daß Wände und Boden aus Stein waren, mit Holzbalken an der Decke, darüber Erdreich.«
    »Und wo kommt er wieder ans Tageslicht?«
    »Das weiß ich nicht.« Windlow schaute bestürzt, als habe er sich einer heimlichen Sünde schuldig gemacht. »Darauf habe ich nicht geachtet. Denkst du, er könnte sich weiter unten wieder mit dem Fluß vereinen?«
    »Das wäre

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