Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
Wandler. Du bist ein Wandler.«
Ich sackte in mich zusammen, den Kopf auf den Knien. Er, der so lange Jahre mein Freund gewesen war, klang nun so abweisend. »Ich bin der Sohn von Mavin Vielgestalt«, gestand ich. »Sie ist Mertyns Schwester. Huld erzählte es mir, der thalan von Mandor ist, genau wie Mertyn von mir. Er hat es beim Festival in Mertyns Gedanken GELESEN.« Tränen liefen mir die Beine hinunter, so erschöpft war ich. »O Yarrel, ich wäre lieber ein Bauer an einem ruhigeren Platz geworden, aber ich bin es nun einmal nicht …«
Chance streckte die Hand aus, um meinen Arm zu streicheln, und ich sah den strengen Blick, den er Yarrel zuwarf. »Na, Bursche, wenn schon ein Talent, dann ein großes, sag ich immer. Wenn man Krach will, dann besser mit einer Trompete als mit einem Topfdeckel, stimmt’s?«
Yarrel hatte sich ein Stück von uns weggesetzt. Die feindliche Stimme klang nun aus einiger Entfernung. »Topfdeckel oder Trompete, Chance, Wandler bleibt Wandler. Wandelt nicht nur den Körper, sondern auch die Seele, so ähnlich habe ich es immer gelernt. Peter ist der hier jedenfalls nicht mehr. Da bin ich mir sicher.«
»So ist es nicht«, keuchte ich in gepeinigtem Flüstern. »Du kapierst überhaupt nichts!« Sobald ich sie ausgesprochen hatte, wußte ich, daß diese Worte ein Fehler waren, denn Yarrels Stimme klang noch frostiger als zuvor, als er antwortete.
»Vielleicht magst du uns ja aufklären. Vielleicht magst du uns erzählen, ›wie es ist‹ und was du nun zu tun beabsichtigst …«
»Ich habe keine Ahnung«, zischte ich. »Wenn ich etwas wüßte, hätte ich es bereits getan. Ich muß Seidenhand und euch beide hier irgendwie hinausbringen. Mandor ist wahnsinnig, und wenn ihm ein Plan einfällt, wie er Seidenhand benutzen kann, um denen zu schaden, die er für seine Feinde hält, wird er ihn ausführen. Und Dazzle wird dafür sorgen, daß er überall Feinde sieht. Er könnte Seidenhand ebensoleicht den Ausplauderern ausliefern, wie er es bei mir getan hat …«
Doch es war nicht Yarrel, der mich beruhigte und tröstete und mir alles von Himaggerys Domäne erzählte, was ich nun weiß, und darüber, daß sich mit Sicherheit ein Großes Spiel rund um Bannerwell aufbaute. Nein, es war Chance, der verläßliche, alte Chance. Nur als ich von Mandors wilder Idee erzählte, mehrere Talente zu bündeln, um dadurch einen neuen Körper zu erhalten, schaltete sich Yarrel mit brüchiger Stimme ins Gespräch ein. »Ähnliche Ideen haben andere auch. Himaggery arbeitet ebenfalls daran, die Talente der Leuchtenden Domäne zu bündeln. In Himaggerys Händen mag das nicht zum Schlechten für meine Leute erwachsen, aber in Mandors …«
»Himaggery marschiert gegen Bannerwell«, sagte Chance. »Deinetwegen, Peter. Was willst du unternehmen?«
»Ich hoffte, Ihr würdet mir helfen. Ich weiß nicht, was ich als nächstes tun soll. Ich verstehe immer noch nicht ganz, wie dieses Wandeln vor sich geht. Ich habe es erst zweimal geschafft. Das erste Mal passierte es zufällig, ganz unbeabsichtigt. Ich dachte, Yarrel und du …«
Yarrel unterbrach mich. »Das ist dein Talent«, sagte er mit fester, abweisender Stimme. »Ich will damit nichts zu tun haben. Dein Talent aufgrund deiner Geburt und deiner Erziehung. Wir sind nicht länger Schulfreunde, die zusammen Pläne schmieden. Davon hast du dich jetzt entfernt …«
»Aber, Yarrel …« Ich hielt inne, weil ich nicht wußte, was ich sagen sollte. Hier bot sich eine unerwartete, plötzliche Gelegenheit. Ich erinnerte mich daran, wie Yarrel auf der Reise zur Hohen Domäne gesagt hatte, daß ich ein Talent entwickeln könnte, das uns zu Feinden machen würde, aber er konnte mich doch nicht in dieser Weise vorverurteilen. Außer wenn – außer daß es ein Gestaltwandler gewesen war, der seiner Familie großes Leid zugefügt hatte. O Yarrel.
»Wir sind so tot wie Mäuse in der Falle, wenn Mandor herausbekommt, wer wir wirklich sind«, sagte Chance. »Deinen Worten nach zu urteilen, sollte Seidenhand so schnell wie möglich von hier weggebracht werden. Wenn dein Talent uns irgendwie helfen soll, wird’s langsam Zeit dazu, würde ich sagen. Ein Großes Spiel ist in Vorbereitung. Es ist besser, dabei nicht mitten auf dem Schlachtfeld zu stehen.«
»Ein Großes Spiel«, murmelte ich. Ich wandte mich von ihnen ab, um mich auf der Seite zusammenzurollen, verletzt durch Yarrels Kälte. Nach einer Weile schlief ich ein. Ich träumte von einer Großen Domäne, einem
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