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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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wissen? Es ist sehr lange her.«
    »Wollt Ihr damit sagen, daß der Zauberer dies alles vor langer Zeit tat, damit jemand – Peter – diese Talente heute benutzen kann?« Obwohl es eigentlich eine Frage war, die Seidenhand stellte, wandte sie sich damit weniger an die Strickerin als an mich, und es klang mehr nach einer Feststellung als einer Frage. »Damit Peter sie benutzen kann«, wiederholte sie. Was wollte sie von mir? Götter des Spiels! Sie wollte etwas, Yarrel wollte etwas, Mertyn etwas anderes. Mandor wollte etwas völlig anderes. Während ich … was im Namen der Sieben Teufel wollte ich? Nichts. Ich wollte überhaupt nichts. Nicht das geringste. Etwas zu tun, verursachte Angst.
    Jede meiner Entscheidungen hatte bis jetzt in Angst und Schrecken geendet.
    Ich erklärte Seidenhand das, in der Hoffnung, daß sie mich verstände. »Als ich Dorn in mir seufzen hörte, bekam ich große Angst …«
    Die Strickerin unterbrach mich. »Aber du wußtest doch, daß Dorn die Geister beherrschte. Du wußtest, daß du imstande warst, es zu tun.«
    »Ich wußte, daß es jemand konnte. Irgend jemand. Aber ich hatte nicht das Gefühl, daß ich es war.«
    »Aha«, schnaubte sie, und der Stuhl schaukelte so heftig, daß das Holz protestierend laut knarrte. »Wie? Du meintest, du seist jemand anderes gewesen? Und als Grimpt Grimpts Schädel zerschmetterte und ihn die Falltorgrube hinunterwarf? Mhm? Wer tat das?«
    »Niemand hat mich dabei gesehen«, entgegnete ich entsetzt. »Niemand.«
    »Niemand außer denen, die davon wissen. Beobachter. Morfusse. Seher. Kriechzeug mit Augen, das aus Mauerritzen und Felsspalten herausspäht.«
    »Wer ist Grimpt?« fragte Seidenhand.
    »Pscht, pscht, wir haben ihn schon genug verstört. Armer Junge. Sein Talent tropft ihm von den Fingerspitzen, und er fragt sich, wohin mit den Händen.«
    Was sollte ich dazu sagen? Sie hatte ja recht. In mir oder in dem Beutel an meinem Gürtel ruhte das Talent, Mandor und seine ganze Domäne in die tiefe Schlucht des Hidamangebirges zu befördern. Alles, was ich dazu noch brauchte, war eine ausreichende Kraftquelle … und selbst mit der Wärme der Steine unter mir konnte ich bereits Legionen von Toten erwecken und fürchtete mich davor, es zu tun. »Ich bin ein armseliges Werkzeug«, sagte ich. »Ein sehr armseliges Werkzeug. Dorn versetzte mich in Todesangst, Sorah wird mich wahrscheinlich in Stein verwandeln. Warum konnte ich kein Bauer werden, wie Yarrel? Als Bauer hätte ich mich sehr gut gemacht, wäre von anderen im Spiel bewegt …«
    »Besser ein armseliges Werkzeug als ein böses«, erwiderte sie. Dann streckte sie die Hand aus, um mich zum ersten Mal zu berühren. Ich hatte das Gefühl, ein Blitz führe durch mich hindurch. »Du warst zu lange in der Kinderkrippe, Junge. Zu lange mit Traumtänzern und Kochen zusammen. Komm heraus, komm endlich heraus, wo immer du auch steckst! Der Hahn kräht bereits, es ist Morgen, und ein Großes Spiel ist in Vorbereitung! Spiel mit, oder du wirst vom Brett gefegt werden.«
    Von hoch oben ertönte ein gespenstisches Geheul, ein geisterhafter Ton, wie Wind, der durch einen Schornstein fegt. Wir schauten hinauf und sahen die schwarzen Schatten der Morfusse vor einem Stück Himmel. Sie hatten einen Weg nach draußen gefunden und wollten uns ihre Entdeckung mitteilen.
    »Da ist er«, sagte die Strickerin. »Der Weg nach draußen. Du kannst diesen Weg nehmen, wenn du willst. Setz dich draußen auf einen Felshügel auf dem Malplacegebirge und beobachte das Spiel. Du kannst aber auch einen anderen Weg wählen. Den durch die Grüfte, an den Gräbern vorbei, den Eingang zur Begräbnisstätte hinaus ins Freie, mit einem Heer hinter dir.« Behende wie eine Spinne sprang sie über den Höhlenboden und die Felswand hoch. Arme, Beine und Kopf verschwammen, als sie flink zu den beiden Gestalten weit oben hinaufkletterte. »Es ist deine Entscheidung, Junge. Mütter sollten ihre Kinder zu nichts zwingen. Es ist nicht gut für die Persönlichkeitsentwicklung …«
    »Wer …«, keuchte ich, »wer … wer bist du?«
    »Mavin Vielgestalt, mein Junge. Gekommen, um dich mit deinen beiden Vettern bekannt zu machen …«
    Die morfusartigen Gestalten flackerten vor dem Licht und veränderten sich. Plötzlich waren sie nur noch zwei schlanke Jungen, die mit funkelnden Augen auf uns herabgrinsten, eine Mähne flammendroten Haars über den Gesichtern. Dann waren sie beide verschwunden, aus dem Loch hinausgeklettert, so rasch, daß keine

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