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Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Titel: Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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einem Stall, der Yittleby und Yattleby zu meiner Freude bestens gefällt. Wir sind noch nie so weit im Süden gewesen wie in diesem Jahr. Wir müssen den Leuten hier sehr merkwürdig vorkommen, die, wie ich sagen muß, nicht gerade sehr weitgereist wirken. Ja, ich wette, daß nicht einmal hundert von ihnen oben im Norden am Tor des Windes oder auf den Höhen des Waenbane oder über seine Berge hinausgekommen sind. Knochen des Windes, wie man sie auch nennt, diese Berge, weil der Wind aus ihnen große steinerne Skelette geformt hat, Rippen und Finger, die in den Himmel reichen, als hätte sich der Berg selbst niedergelegt und auf diesen Höhen sein Fleisch verloren. Wenn man einmal Krylobos sehen möchte, neben denen diese beiden hier wie Zwerge wirken, muß man den Weg durch das ›Auge des Windes‹ nehmen, Waenauge, wie sie in jener Gegend dort oben sagen. Dort gibt es Krylobos, bei denen euch das Blut in den Adern gefriert, wenn ihr sie seht, doppelt so hoch wie diese hier und ohne Zweifel imstande, einen Gnarlibar totzutreten.«
    »›Das Auge des Windes‹«, sagte Jinian. »Das ist die Prophezeiung, die du in der Leuchtenden Domäne gehört hast. ›Das Auge des Windes‹.«
    Es war ihr eher eingefallen als mir, aber ihre Worte brachten den Klang von Windlows Stimme in mein Gedächtnis zurück. »Du und Seidenhand. Ein Ort, weit oben im Norden, genannt ›Auge des Windes‹.« Ich grub nach den anderen Dingen, die er erwähnt hatte. »Ein Riese? Vielleicht. Und eine Brücke. Du mußt mich dorthinbringen … und die Spielfiguren von Barish.« Ein Riese. Vielleicht ein Riese geformt aus Nebel, aus einer Wolke, aus Traurigkeit, ein Riese, den man in der Dämmerung sah, der seine Verwandten um Hilfe bat. Ich erhob meine Augen zu den hochaufragenden Gipfeln, die westlich von Reavebrücke lagen. Mit geschärften Wandleraugen konnte ich die gedrehten Spiralen und organisch aussehenden Formen erkennen, von denen Queynt gesprochen hatte, als hätte sich ein unbekanntes riesenhaftes Tier auf jene Höhen gelegt und seine Knochen hinterlassen.
    Und hinter diesen Knochen sah ich die Umrisse eines Riesen, neblig und ungeheuer groß, der sich mühte und mühte, nach Norden zu kommen. Ich hörte, wie Jinian die Luft anhielt, hörte, wie Queynt einen Augenblick schwieg, bevor seine Stimme in endlosem Geplapper weiterplätscherte. Als ich mich umwandte, fand ich seine Augen auf mich gerichtet, eindringlich und begierig, mich abschätzend, als nehme er Maß für Kleidung – oder einen Sarg –, während er uns von Reavebrücke und allen, die dort lebten, erzählte, ausführlicher und länger, als irgend jemand von uns es eigentlich hören wollte.

 
7
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Reavebrücke
     
    Bevor wir am Zahn des Tragamors ankamen, vergrub sich Seidenhand in Queynts Wagen, um sich schön zu machen. Ich bemerkte, daß sie Jinian nicht dazu aufforderte, es ihr gleichzutun, führte das aber auf Eitelkeit zurück. Seidenhand war ein wenig eitel, aber nur ein bißchen, und nicht auf eine Art, die falsch oder unpassend gewesen wäre. Sie liebte es einfach, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, und dagegen war ja auch kaum etwas einzuwenden. Jinian dagegen schien entschlossen, so aufzutreten, daß der König die Verzögerung so wenig wie möglich bedauerte. Wohl wissend, daß er sie im Zahn des Tragamors erwartete, hatte sie ihr üppiges Haar, das von der tiefbraunen Farbe reifer Nüsse war, zu einem einzelnen dicken Zopf geflochten und versäumt, sich den Schmutz der Straße vom Gesicht zu wischen. Außerdem trug sie Reisekleidung, die aussah, als hätte sie darin geschlafen, was ja auch stimmte. Mir gefiel sie so wehrhaft und unabhängig, aber eine Auszeichnung für raffiniertes Aussehen hätte sie damit nicht gewonnen, soviel stand fest.
    So erreichten wir den Gasthof, Seidenhand einer Vision gleich, Queynt genauso bizarr wie am Morgen, Jinian und ich schmutzig und verschwitzt hinterdrein, ohne uns um unser Aussehen zu kümmern. Irgend jemand mußte nach Jinian Ausschau gehalten haben, denn der König, ein schlanker, eleganter Mann mit gekräuseltem rotem Bart und Augen, die humorvoll und intelligent funkelten, erschien just, als wir unser Gepäck in die Zimmer schaffen wollten, die wir gemietet hatten. Er ging auf Seidenhand zu, nannte sie bei Jinians Namen, bot ihr seine Hand und lächelte. Als sie ihn über die Verwechslung aufklärte und ihm Jinian vorstellte, veränderte sich seine Miene nicht im geringsten, seine Augen aber sehr wohl. Ich sah

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