Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
Kyle einen Graben aufreißen, einen Graben, der für ihn selbst von Vorteil sein könnte. Das ist nicht besonders edel, aber er kann nicht leugnen, dass ihm dieser Gedanke gekommen ist. Wenn Derek dagegen das Angebot von Binary Desire akzeptiert, wird die Kluft zwischen Ana und ihm verlaufen und seine Chance auf eine Beziehung mit ihr für immer zerstören. Kann er diese Hoffnung begraben?
Vielleicht hatte er ja bei Ana nie eine Chance, vielleicht hat er sich während all der Jahre etwas vorgemacht. In diesem Fall ist es besser für ihn, sich von dieser Wunschvorstellung zu verabschieden, sich freizumachen von der Sehnsucht nach etwas, das nie eintreten wird.
»Auf was du wartest?«, fragt Marco.
»Auf gar nichts«, sagt Derek.
Während die Digis zuschauen, unterschreibt er den Vertrag mit Binary Desire und schickt ihn an Jennifer Chase.
»Wann ich geh zu Binary Desire?«, fragt Marco.
»Wenn ich ein unterschriebenes Exemplar des Vertrags habe, speichern wir dich ab«, erwidert er. »Dann schicken wir ihnen dieses Abbild.«
»Okay«, sagt Marco.
Während die Digis sich aufgeregt darüber unterhalten, was das bedeutet, überlegt Derek, was er Ana sagen soll. Natürlich darf er ihr nicht erzählen, dass er es für sie tut. Wenn sie wüsste, dass er Marco ihr zuliebe opfert, hätte sie schreckliche Gewissensbisse. Das ist allein seine Entscheidung, und Ana soll besser ihm die Schuld geben.
Ana und Jax spielen Jerk Vector, ein Rennspiel, das Ana kürzlich auf Erde 2.1 installiert hat; sie steuern ihre Gleiter über eine Landschaft, die so hügelig ist wie Noppenschaumstoff. Ana gewinnt in einem Talbecken genügend an Fahrt, um gleich darauf über eine Schlucht setzen zu können, während Jax daran scheitert und in seinem Flugauto dramatisch abwärts trudelt.
»Warte auf mich«, sagt er über das Sprechgerät.
»Okay«, sagt Ana und bringt ihren Gleiter in der Luft zum Stillstand. Während sie wartet, bis Jax über die Serpentine, die am Rand der Schlucht verläuft, wieder an Höhe gewinnt, wechselt sie zu einem anderen Fenster, um nach Nachrichten zu sehen. Was sie dort sieht, erschreckt sie.
Felix hat an die ganze Usergruppe eine Nachricht geschickt und darin triumphierend den Countdown bis zum Erstkontakt zwischen Menschheit und Xenotherianern verkündet. Wegen Felix’ exaltierter Ausdrucksweise überlegt Ana zunächst, ob sie ihn vielleicht falsch versteht, aber ein paar Nachrichten anderer Mitglieder der Usergruppe bestätigen ihr, dass die Neuroblast-Portierung nun tatsächlich entwickelt und von Binary Desire bezahlt wird. Jemand aus der Usergruppe hat sein Digi als Sexspielzeug verkauft.
Dann liest sie in einer weiteren Nachricht, dass es Derek war – dass er Marco verkauft hat. Sie ist drauf und dran zurückzuschreiben, dass es nicht wahr sein kann, bremst sich jedoch. Stattdessen schaltet sie zum Erde 2 -Fenster zurück.
»Jax, ich muss kurz telefonieren. Vielleicht übst du ja weiter, über die Schlucht zu springen?«
»Wird dir leidtun«, sagt Jax. »Nächstes Rennen ich gewinne.«
Ana stellt das Spiel auf Übungsmodus um, damit Jax über die Schlucht springen kann, ohne dass er nach jedem Sturz wieder von ganz unten aufsteigen muss. Dann öffnet sie die Videotelefonie-Anwendung und ruft Derek an.
»Sag mir, dass es nicht stimmt«, sagt sie, doch ein Blick in sein Gesicht bestätigt ihr, dass es wahr ist.
»Ich wollte nicht, dass du es auf diese Weise erfährst. Ich wollte dich anrufen, aber …«
Ana ist so verdattert, dass sie um Worte ringen muss. »Warum hast du das getan?« Derek zögert so lange, dass sie fragt: »War es wegen des Geldes?«
»Nein! Natürlich nicht. Ich fand einfach Marcos Argumente einleuchtend und dachte, er sei alt genug, um selbst zu entscheiden.«
»Wir haben doch darüber gesprochen. Du warst mit mir einer Meinung, wir sollten lieber warten, bis er mehr Erfahrung hat.«
»Ich weiß. Aber dann bin ich … zu dem Schluss gekommen, dass ich übervorsichtig bin.«
»Übervorsichtig? Du gehst bisher noch nicht mal das Risiko ein, dass Marco sich das Knie aufschürfen könnte. Binary Desire wird ihm im Gehirn herumpfuschen. Wie kann man dabei übervorsichtig sein?«
Er schweigt, dann sagt er: »Mir ist klar geworden, dass ich loslassen muss.«
»Loslassen?« Als wäre Marco und Polo zu beschützen eine kindische Marotte, aus der er herausgewachsen ist. »Ich wusste nicht, dass du es so siehst.«
»Ich bis vor Kurzem auch nicht.«
»Heißt das, du hast nicht
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